Krimis & Thriller

Schlussakkord in Moll

Inspektor Gunnar Barbarotti erlebt am Morgen des 29. April 2012 den Alptraum seines Lebens. Er wacht neben seiner Ehefrau Marianne auf und sp?rt sofort, dass nichts mehr ist oder sein wird, wie es einmal war. Marianne ist tot, gestorben an einem Aneurysma. Beide waren nicht unvorbereitet, da sie seit anderthalb Jahren - nach einem ersten Vorfall dieser Art - mit der Gewissheit lebten, dass dies immer wieder passieren kann und schlie?lich auch mit t?dlichen Folgen. Barbarotti ist nun alleine mit den f?nf Kindern aus seiner sowie Mariannes fr?herer Ehe. An eine Fortf?hrung seiner T?tigkeit als Inspektor ist daher zun?chst auch nicht zu denken.

H?kan Nesser schockt seine Leser im vorliegenden f?nften Band seiner Barbarotti-Reihe mit dem pl?tzlichen Ableben Mariannes gleich auf den ersten Seiten, als w?re seine Ank?ndigung, dass "Am Abend des Mordes" den Abschluss der Reihe um den sympathischen Barbarotti bilde, nicht schon starker Tobak genug f?r seine Leser gewesen. Im Gegensatz zur zehn Romane umfassenden van-Veeteren-Reihe, mit der Nesser einst ber?hmt wurde, war hinsichtlich der Barbarotti-Reihe fr?h klar, dass Nesser hier nur wenige Romane plane. Insofern sollte man sich als Leser gl?cklich sch?tzen, dass man ?berhaupt ?ber f?nf B?cher hinweg den Gutmenschen Barbarotti, seine Ermittlungsarbeit sowie seine Gespr?che mit Gott begleiten durfte.

Nach einigen Wochen der Trauer kehrt Barbarotti in den Polizeidienst zur?ck. Dort wird ihm von seinem Vorgesetzten ein Fall zugeteilt, der zun?chst nach einer Besch?ftigungstherapie f?r den trauernden Witwer aussieht. Barbarotti soll einen f?nf Jahre zur?ckliegenden Fall, der ungel?st blieb, neu beleuchten, obgleich sich in der Zwischenzeit keine neuen Erkenntnisse ergeben haben. Seine Kollegin Eva Backman, mit der er bis dato erfolgreich im Team operiert hatte, ist mit dem Vergiftungstod an einem Schwedendemokraten besch?ftigt - jedoch ebenso wie Barbarotti als One-Man-Show.

Barbarotti soll den Fall des seit 2007 vermissten Arnold Morinder aufarbeiten, der wie vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Morinder lebte zu diesem Zeitpunkt in einer Beziehung mit Ellen Bjarnebo, die ihrerseits bereits einige Jahre im Knast verbracht hatte, nachdem sie zugegeben hatte, im Sommer 1989 ihren damaligen tyrannischen Ehemann ermordet und filetiert zu haben. Barbarotti st??t bei seinen Nachforschungen auf einfach strukturierte Menschen, die keine Anhaltspunkte liefern, die den Fall nach vorne treiben k?nnten. Den Wendepunkt bringt schlie?lich Barbarottis Entschluss, nach Lappland zu reisen, um dort Ellen Bjarnebo aufzusuchen. Dabei wird Barbarotti allerdings b?se ?berrascht, nachdem die bis zu diesem Zeitpunkt vor sich hinpl?tschernde Ermittlung viel zu pl?tzlich Fahrt aufnimmt und ihn in h?chste Lebensgefahr bringt.

H?kan Nessers Kriminalromane sind seit jeher nicht vergleichbar mit handels?blichen schwedischen Krimis. Im vorliegenden Werk stehen zwingend Barbarottis Trauer um Marianne sowie seine ersten Gehversuche, nach diesem Erdbeben wieder im normalen Leben Fu? zu fassen, im Mittelpunkt der Handlung. Diese un?berwindbar erscheinenden H?rden werden von Nesser sehr gut nachvollziehbar dargestellt und erscheinen selbst f?r diejenigen Leser realistisch, die gl?cklicherweise eine solche Erfahrung bisher noch nicht machen mussten. Kenner der Barbarotti-Reihe d?rfen daher gespannt sein, welche Dialoge mit Gott der Inspektor dieses Mal f?hren wird.

Die Zuteilung eines ungel?sten Falls aus der Vergangenheit, eines sogenannten "Cold Case", erinnert stark an die Erfolgsreihe des D?nen Jussi Adler-Olsen, der seinen Ermittler Carl M?rck im Sonderdezernat Q eben solche F?lle neu aufrollen l?sst. Doch sollte nicht der Eindruck des Abkupferns entstehen, da ein H?kan Nesser dies sicherlich nicht n?tig hat, zumal in seinen B?chern selten die F?lle als solche im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr die intensiv aufgebauten Charaktere, die er wie in dem Falle der Barbarotti-Reihe nun schon ?ber den Zeitraum von f?nf Jahren respektive B?chern entwickelt hat.

Nach der Ank?ndigung H?kan Nessers, dass "Am Abend des Mordes" das Ende des Inspektors Barbarotti in den B?cherregalen bilden wird, bleibt abzuwarten, welche zuk?nftigen Buchprojekte der schwedische Autor ins Auge gefasst hat und nun angehen wird. Schlie?lich liegen seine St?rken bekannterma?en in der Entwicklung von Charakteren im Rahmen seiner Reihen, w?hrend er in alleinstehenden Romanen neben einigen Sternstunden - man denke nur an "Kim Novak badete nie im See Genezareth" - leider auch einige Fehlschl?ge auf h?herem Niveau zu verzeichnen hatte. Daher darf man gespannt sein, in welche Richtung die ?berlegungen des genialen Nessers f?r die Zukunft gehen werden.

Christoph Mahnel
05.11.2012

 
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Das Buch:

Håkan Nesser: Am Abend des Mordes. Aus dem Schwedischen von Paul Berf

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München: btb Verlag 2012
480 S., € 19,99 Euro
ISBN: 978-3-442-75317-8

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