Krimis & Thriller

Der Wahnsinn geht weiter!

Wenn einer dem deutschen Psychothriller in den vergangenen Jahren seinen ganz eigenen Stempel und eine höchst individuelle Note aufgedrückt hat, dann ist es Sebastian Fitzek. Einst als Shootingstar bezeichnet, ist er mittlerweile der bedeutendste Autor dieses Genres in Deutschland. In knapp vier Jahren hat er inklusive des vorliegenden Buches sechs Chartstürmer geschrieben. Während bei den meisten Fließbandproduzenten irgendwann die Qualität oder bei so manchem Erfolgsautor der Leser ob der jahrelangen Wartezeiten leidet, stimmt bei Fitzek der Mix zwischen ansprechender Qualität und hoher Schreibfrequenz.

Der ehemalige Polizist Alex Zorbach hat seinen Dienst aufgrund eines traumatischen Ereignisses vor einigen Jahren quittieren müssen und verdingt sich seither als Reporter, stets dem Verbrechen und den Verbrechern auf der Spur. Aktuell ist der in Trennung lebende Vater eines Sohnes dem "Augensammler" auf den Fersen und dabei mit Infos versorgt, die nur der Polizei, manche nicht einmal dieser vorliegen. Der Augensammler agiert stets nach demselben Konzept: Er tötet die Mutter und entführt das Kind. Letzteres wird nach Ablauf einer bestimmten Zeit tot aufgefunden, wobei ihm jeweils das linke Auge fehlt. Ein abstruser Plot ist damit bereitet und der Wettlauf gegen die Zeit beginnt, als man eine neuerliche Leiche, die Mutter des verschwundenen Tobias Traunstein, entdeckt. Die in der Hand der Mutter gefundene Stoppuhr zeigt die verbleibende Zeit, 45 Stunden ticken herunter…

Unverhofft und kurzerhand gerät Zorbach selbst zum Hauptverdächtigen und begegnet auf seiner Flucht der mysteriösen und blinden Therapeutin Alina, die angeblich mittels Berührungen die Vergangenheit anderer Personen nacherleben kann. Ihre besondere Bedeutung für diesen Fall ist dabei die Tatsache, dass der Augensammler tags zuvor bei ihr in Behandlung war. Gemeinsam mit ihr und seinem jungen Kollegen Frank Lahmann begibt sich Zorbach auf eine atemberaubende Rallye durch Berlin. In dieser Hinsicht ähnelt "Der Augensammler" durchaus "Splitter", Fitzeks letztem Erfolgsthriller.

"Der Augensammler" hält für den Leser bereits bei der ersten Betrachtung einige Überraschungen bereit. Eine Rückwartspaginierung, die die Seitenzahlen mit 442 beginnend herunterzählt, ist kein Druckfehler des Verlages, sondern pure Absicht. Ebenso mag der Leser verwirrt dreinschauen ob der Tatsache, dass das Buch mit einem Epilog und dem letzten Kapitel beginnt und mit dem ersten Kapitel und einem Prolog endet. Wer Fitzek kennt, weiß, dass die äußere Form sicherlich mit der eigentlichen Handlung in irgendeiner Art und Weise korrespondieren wird, wobei das Rätseln über das Warum und Weshalb aber erst in den letzten Zügen des Buches ein Ende finden wird. Wie so oft in Fitzeks Büchern erscheint einem auch im vorliegenden Buch die Story bisweilen aus dem Ruder zu laufen, da man immer weniger zwischen vermutlicher Täuschung und Realität unterscheiden kann. Doch ist Fitzek ein wahrer Meister im Auflösen solcher diffusen Muster, auf wundersame Weise finden zum Schluss alle Teile der Geschichte völlig plausibel zueinander.

In einer Danksagung am Ende des Buches gibt Fitzek viel Persönliches preis und liefert interessante Einblicke in seine Arbeit. Diese Transparenz und Offenheit macht ihn als Autor sicherlich sympathischer als so manchen verschlossenen und griesgrämigen Erfolgsschreiber. Wer sich an den bisherigen Fitzek-Romanen begeistern konnte, der wird garantiert auch am vorliegenden Buch Freude und Gefallen finden. Positiv anzumerken bleibt auch, dass die höchst grausame Rahmenhandlung rund um die Vorgehensweise des Augensammlers nicht sadistisch ausgeschlachtet wird, sondern letztlich eine Rahmenhandlung für eine viel subtilere, aber doch nicht minder verstörende Geschichte bleibt. Bezeichnend ist die Tatsache, dass ein Statement John Katzenbachs auf der Innenseite des Klappentextes prangt. Schließlich sind Katzenbach und Fitzek momentan die beiden erfolgreichsten Thrillerautoren auf dem deutschen Markt. Gerne wird Fitzek als der deutsche Katzenbach bezeichnet, aber bei einer konstant hohen Lieferqualität des Berliners könnte in der nahen Zukunft durchaus Katzenbach auch als der amerikanische Fitzek bezeichnet werden.

Christoph Mahnel
14.06.2010

 
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Das Buch:

Sebastian Fitzek: Der Augensammler

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München: Droemer Verlag 2010
448 S., € 16,95
ISBN 978-3-426-19851-3

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