Krimis & Thriller

Eine sehr geheimnisvolle Geschichte

Mit "Der geheimnislose Junge" hat Stephan Brüggenthies dem deutschen Krimi-Fan in diesem Sommer einen willkommenen, weil erfrischenden Erstling beschert. Im deutschen Filmbusiness ist Stephan Brüggenthies bekannt als ein Tausendsassa, der als Drehbuchautor fungiert und sich auch als Regisseur und Produzent von Filmen verantwortlich zeigt, unter anderem hat er bereits für den ARD-Tatort einige Drehbücher geschrieben. Des Weiteren sitzt er im Vorstand des Kulturrats Nordrhein-Westfalens. Als ob dies nicht bereits beachtlich genug wäre für einen gerade einmal Vierzigjährigen, macht er sich nun auch einen Namen als Schriftsteller: "Der geheimnislose Junge", erschienen im Eichborn-Verlag, ist sein erster Roman.

Der 15-jährige Timo Lindner wird als vermisst gemeldet. Dass Timo als hochintelligent, gutsituiert und völlig unauffällig gilt, macht sein Verschwinden nur noch ungewöhnlicher. Bei seinen Eltern und in seiner Schule, einem Gymnasium für Hochbegabte, scheint der ermittelnde Kölner Hauptkommissar Zbigniew Meier gegen Mauern des Schweigens zu laufen. Erst mit der Zeit sickern Details über Timo Lindner durch, die ihn im Lichte eines völlig ungewöhnlichen Teenagers erscheinen lassen. Seine Eltern beraubten ihn seit jeher jeglicher Privat- und Intimsphäre. Diesem Umstand verdankt das vorliegende Buch übrigens seinen Titel. Mit der Entdeckung eines Jungentorsos im italienischen Turin scheint der Fall seiner Aufklärung näherzukommen, was sich jedoch relativ schnell wieder zerschlägt. In der Folgezeit beginnt Zbigniew Meier auf eigene Faust zu recherchieren, was ihn in die Abgelegenheit der Normandie führt, und plötzlich gewinnt auch die Leiche aus Turin wieder an Bedeutung.

Mit "Der geheimnislose Junge" ist Brüggenthies ein wahrlich bemerkenswertes Debüt gelungen. Auch wenn gegen Ende des Buches der Fall ein wenig überdimensioniert an Bedeutung gewinnt und Kommissar Zufall ein bisschen zu viel seine Unterstützung anbietet, ist die Geschichte durchweg spannend, logisch und mit einigen Überraschungen versehen konzipiert. Die Figuren sind allesamt glaubwürdig dargestellt, die Verlagerung des Plots nach Köln mag für einige Leser zusätzlich für eine lokale Affinität sorgen. "Der geheimnislose Junge" ist eine willkommene Abwechslung zu den sich in Serienproduktionen oftmals abnutzenden und ermüdenden Kriminalkommissaren und bleibt beim Leser als ein Buch in Erinnerung, das Frische und Rasanz versprüht.

Aber Vorsicht! Das vorliegende Buch ist keinesfalls geeignet für zartbesaitete Klosterschülerinnen, denn Brüggenthies hält mit Zbigniew Meiers sexuellen Trieben keinesfalls hinterm Berg. Nichtsdestotrotz kommt dies nicht als Drang des Autors rüber, explizit solche Szenen zu Papier gebracht zu haben, sondern unterstreicht eher die Authentizität des Protagonisten, eines Mannes mit Ecken und Kanten, Bedürfnissen und Trieben.

Nach einem solch begeisternden Erstling mit einem sehr gut konturierten Hauptdarsteller stellt sich Autor und Leserschaft ganz zwangsläufig die alles entscheidende Frage: Wünscht man sich nun eine Fortsetzung mit Zbigniew Meier oder möchte man das Werk eher singulär stehen lassen und Brüggenthies auffordern, sich neue Figuren und Plots zu ersinnen? Dass Verlage in solchen Fällen Autoren dazu drängen, Fortsetzungen zu produzieren, um damit leichtes Geld zu verdienen, liegt auf der Hand. Daher bleibt es spannend, zu beobachten, wozu sich Stephan Brüggenthies und Zbigniew Meier entscheiden werden.

Christoph Mahnel
17.08.2009

 
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Das Buch:

Stephan Brüggenthies: Der geheimnislose Junge

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Frankfurt am Main: Eichborn Verlag 2009
510 S., € 16,95
ISBN: 978-3-8218-5849-4

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