Krimis & Thriller

Kein Buch zum Vergessen!

Was wäre eigentlich, wenn man unangenehme Erinnerungen für immer auslöschen könnte? Den Verlust von einem nahestehenden Menschen, Liebeskummer oder ein verlorenes WM-Halbfinale - einfach durch Einnahme einer Pille oder durch wie auch immer geartete Eingriffe könnte ein bestimmtes Ereignis aus dem eigenen Gedächtnis gelöscht werden. Nie wieder würden einen die schmerzhaften Erinnerungen daran belästigen. Was ein wenig futuristisch und nach Science-Fiction klingt, ist jedoch bereits näher und realistischer als man es sich vorstellen möchte. Die aktive Herbeiführung einer partiellen Amnesie ist Thema des neuesten Psychothrillers "Splitter" von Sebastian Fitzek.

Kaum ein anderer deutscher Schriftsteller hat in den letzten Jahren für soviel Aufsehen gesorgt wie Sebastian Fitzek. Er kann getrost als deutscher Shootingstar im Segment des Psychothrillers bezeichnet werden, nachdem er einschließlich des vorliegenden Buches innerhalb von drei Jahren fünf Romane auf den Markt gebracht hat, jedes davon erfolgreich einschlug und die Bestsellerlisten auf den Kopf stellte. Fitzek ist die deutsche Antwort auf John Katzenbach, seine ins Englische übersetzten Bücher finden sogar in den USA und England reißenden Absatz.

Marc Lucas durchlebt den Albtraum seines Lebens: Einen von ihm verschuldeten Autounfall hat er selbst mit minderschweren Blessuren und abgesehen von einem Splitter in seinem Hinterkopf überlebt, seine hochschwangere Frau jedoch nicht. Da er so sehr von den Erinnerungen daran geplagt wird, hat er auf eine Zeitungsannonce reagiert, die den Verlust bestimmter Erinnerungen im Rahmen eines klinischen Experimentes verspricht. Lucas beschließt, diese Klinik aufzusuchen und beginnt halbherzig dieses Experiment. Das ganze läuft jedoch aus dem Ruder, da Lucas' Existenz nach Beginn des Experimentes peu à peu wegzubrechen scheint: Sein Haustürschlüssel passt nicht mehr, in seinem Büro arbeitet jemand anderes und zu allem Übel scheint er seine verstorbene Frau Sandra wiedergesehen zu haben. Lucas beginnt, an sich zu zweifeln, und fragt sich nicht ganz unberechtigt, ob er denn überhaupt noch existiere.

Sebastian Fitzek führt den Leser im Schlepptau von Marc Lucas in einer atemberaubenden Katz- und Maus-Jagd quer durch Berlin. In einer überschaubaren Szenerie mit zwei Handlungssträngen, neben Marc Lucas agiert noch sein gerade aus dem Gefängnis entlassener Bruder Benjamin, begrenzt Fitzek leserfreundlich den Kreis an Akteuren. Fitzek arbeitet wiederholt mit Cliffhangern, was bei lediglich zwei Erzählsträngen nicht erschöpfend, sondern tatsächlich spannungsfördernd ist. Fitzek versteht es, geschickt mit seiner Sprache umzugehen. Er lässt den Leser durch klug gewählte Formulierungen und Ellipsen hinsichtlich der beteiligten Personen gerne im Ungewissen, was insbesondere im Showdown von Belang ist, so dass der Leser schon ganz genau lesen muss, um zu verstehen, was wirklich passiert.

Nein, es lässt sich kaum etwas bemängeln an Fitzeks neuestem Werk: Die lange währenden Zweifel beim Leser ob der Frage, welche der geschilderten Vorfälle denn tatsächlich der Realität entsprechen und welche einer gestörten Wahrnehmung von Marc Lucas obliegen, werden beseitigt, indem das ganze zum Ende des Buches schlüssig aufgeklärt wird. Ohne viel vorweg zu nehmen, sei positiv angemerkt, dass Fitzek dieses Mal nicht ins Irreale abgleitet, wie noch in seinem Erstling "Die Therapie". Fitzek hat ein hochinteressantes Thema aufgegriffen: Ist dem Menschen mehr damit geholfen, immer größere Kapazitäten seines Gedächtnisses zu nutzen oder - einem völlig konträren Ansatz folgend - bestimmte Dinge bewusst zu vergessen und zu eliminieren? Möchte der Mensch überhaupt vergessen oder lieber bis ans Lebensende sogar mit den schlimmsten Erinnerungen leben? Dass Fitzek den Leser nicht nur mit einem spannenden Psychothriller unterhält, sondern ihn darüber hinaus noch mit solch interessanten Fragestellungen zurücklässt, genau dies rechtfertigt die Vorschusslorbeeren für den vorliegenden Roman und den großen momentanen Erfolg Sebastian Fitzeks.

Christoph Mahnel
22.06.2009

 
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Das Buch:

Sebastian Fitzek: Splitter

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München: Droemer Knaur Verlag 2009
375 S., € 16,95
ISBN: 978-3-426-19847-6

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