Krimis & Thriller

In guter , alter schwedischer Krimi-Tradition

Kaum ein Land hat eine solch enorme Zahl an hochklassigen und international erfolgreichen Krimi-Autoren vorzuweisen wie Schweden: Neben Henning Mankell, Håkan Nesser und Stieg Larsson hat sich Liza Marklund mit ihrer vielschichtigen Journalistin Annika Bengtzon einen Platz im Olymp diesen Genres gesichert. Gerade ist ihr siebtes Buch "Lebenslänglich" mit der durchaus autobiographische Züge tragenden Annika Bengtzon erschienen.

Die Journalistin vom "Abendblatt" mit ihren selbstzerstörerischen Tendenzen ist wie immer mittendrin. Gerade durch die etwas andere Rolle der Journalistin als Hauptfigur des Krimis bekommt der Erzählplot eine komplett andere Färbung als beim Thriller mit Kommissaren im Mittelpunkt. Es gibt keine Ermittlungen im klassischen Sinne mit Spurensicherungen, Großeinsätzen oder Razzien. Stattdessen wird auf investigative Recherchearbeit und auf ein über viele Jahre aufgebautes Netzwerk an Informationsquellen gebaut. Darüber hinaus gibt Marklund aus ihrer eigenen Erfahrung heraus interessante Einblicke in den Arbeitsalltag von Journalisten und Redaktionen: Wie entstehen Schlagzeilen? Welche Halbwertszeit haben "Stories"? Wie arbeiten Zeitungen wirtschaftlich in Zeiten, die immer mehr auf Online- denn Print-Ausgaben fokussiert sind?

Die Annika-Bengtzon-Bücher stellen jeweils abgeschlossene Fälle dar, wobei aber die persönlichen Irrungen und Wirrungen der Hauptpersonen durchgängig konzipiert sind. Dies ist beim vorliegenden Buch sehr bedeutsam, da sich Annikas Mann gerade von ihr getrennt hat und ihr gemeinsames Haus einem Brandanschlag zum Opfer fiel. Letzteres wurde bereits in "Nobels Testament" gegen Ende des Buches geschildert und liefert nun auch den Einstiegspunkt in "Lebenslänglich".

Dass man in Wikipedia direkt unter Liza Marklunds Eintrag einen weiterführenden Link zum Thema "Feminismus" findet, verwundert nicht, denn gerade in "Lebenslänglich" überzieht sie in ihren Hetztiraden in punkto Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen doch sehr. Marklund ist mit ihrem aktuellen Krimi an einem Punkt angekommen, wo sie sich entscheiden muss, ob sie sich einen Namen als Alice Schwarzer der schwedischen Kriminalliteratur machen will.

"Lebenslänglich" birgt die parallelen Schicksale zweier Frauen, die vor den Scherbenhaufen ihres Lebens stehen: Julia Lindholm, Gattin eines populären Polizisten, wird des Mordes an Ehemann und Sohn angeklagt und hat augenscheinlich nur noch eine Perspektive: zu "lebenslänglich" verurteilt zu werden. Das Schicksal Annika Bengtzons mit dem zur Geliebten ausgezogenen Ehemann, dem niedergebrannten Haus und dem Tatverdacht, das eigene Haus selbst in Brand gesetzt zu haben, wird von Liza Marklund glänzend transportiert. Die Schilderung von Annikas Verzweiflung lässt den Leser jegliche Hoffnung fahren. Im Anschluss an den turbulenten Einstieg dümpelt die Geschichte leider ein wenig schleppend vor sich hin, bevor Marklund ihre Protagonistin Annika nach intensiver Recherchearbeit die richtigen Schlüsse ziehen lässt und das Buch in einem furiosen Finale mit einigen Überraschungen und Wendungen kulminiert. Somit werden alle Liza Marklund- und Annika Bengtzon-Fans das Buch mit einem bestätigenden Kopfnicken beiseite legen in der Gewissheit, dass sie einem erneuten Fall einer Schriftstellerin aus der Beletage des Kriminalromans beiwohnen durften.

Christoph Mahnel
01.09.2008

 
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Das Buch:

Liza Marklund: Lebenslänglich. Aus dem Schwedischen von Dagmar Lendt und Anne Bubenzer

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Reinbek bei Hamburg: Kindler Verlag 2008
494 S., € 19,90
ISBN: 978-3-463-40517-9

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