Krimis & Thriller

Krimifan im Ermittlungsfieber

In den letzten drei Jahrzehnten ist türkisch-deutsche Literatur in Deutschland immer populärer geworden. Während sie sich ursprünglich vor allem mit der Migration von Türken in die Bundesrepublik beschäftigte, nimmt sie heute die gesamte Bandbreite des Literaturbetriebes ein, so auch den Bereich Krimi. Zu den erfolgreichen Autorinnen in diesem Segment gehört Esmahan Aykol, die in Istanbul lebt, aber ihre Bücher in Berlin, wo sie auch einen Teil ihres Jurastudiums absolvierte, schreibt. Mit "Scheidung auf Türkisch" legt Aykol den dritten Kriminalroman um Kati Hirschel, deutschstämmige Krimibuchhändlerin in Istanbul, vor.

"Bankkredit abbezahlen, ein bisschen Geld zur Seite legen…" und manchmal einen Todesfall untersuchen

Durch die Zeitung erfahren Kati und ihr schwuler Freund Fofo vom Tode Sani Ankaral1gils, der Ehefrau von Cem Ankaral1gil, dem Spross einer reichen Istanbuler Industriellenfamilie. Während Fofo sofort Feuer und Flamme für die Geschichte ist und die offizielle Todesursache, einen Unfall im Haushalt, bezweifelt, zeigt Kati zunächst wenig Interesse an der Geschichte. Schließlich muss sie ein Geschäft führen, einen "Bankkredit abbezahlen und ein bisschen Geld zur Seite legen". Doch dann packt auch sie das Ermittlungsfieber. Welche Krimiliebhaberin möchte nicht mal in einem Todesfall ermitteln? Besonders wenn dieser Todesfall einige rätselhafte Fragen aufwirft, beispielsweise über das Verhältnis zwischen Cem und Sani. So leitete Sani eine Umweltschutzorganisation und wollte sich von ihrem Mann scheiden lassen.

Die Liste der Verdächtigen weitet sich im Zuge der Ermittlungen Katis und Fofos immer weiter aus und umfasst schließlich nicht nur Cem, sondern auch seine Familie samt verstoßener Halbschwester und eine Reihe von Sanis Liebhabern. Hinzu kommen Industrielle aus Thrakien, der Heimat Sanis, die sich Umweltschutzkampagnen verschließen und eine angebliche thrakische Separatistengruppe Namens TÖZ.

Interessante Einblicke in die moderne Türkei

Neben einer Krimigeschichte gibt die Autorin in ihrem Buch zahlreiche interessante Einblicke in die moderne türkische Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen und Umbrüchen. Der Todesfall Sanis wird so teilweise schon fast zur Nebensache und tritt oftmals in den Hintergrund, ohne dass dabei jedoch der Lesespaß leidet.

Der Leser erfährt auf diese Art und Weise viel über die Türkei und ihre Bewohner, besonders in Istanbul, und wird mit den Problemen des Landes am Bosporus konfrontiert. Angesprochen wird dabei auch immer wieder das Thema Migration. Dem Leser wird dabei jedoch niemals der Eindruck vermittelt, er werde von oben belehrt.

Lockere Krimiunterhaltung

Das Buch ist locker und leicht geschrieben, lässt sich sehr gut lesen und ist spannend bis zum Ende. Wer gemächliche, ruhige Krimmispannung mag, dem wird Aykols Werk sicherlich gefallen. Wer allerdings von Krimis eher "Action" und bewaffnete Schnüffler erwartet, der wird mit der smarten Kati und ihrem Freund Fofo nicht viel anfangen können.

Leser, die die ersten beiden Kati Hirschel-Krimis von Esmahan Aykol, "Hotel Bosporus" und "Bakschisch", nicht kennen, werden keine Verständnisschwierigkeiten beim Einstieg in das Buch haben. Im ersten Kapitel stellt die Autorin ihre Protagonistin und andere Personen, die bereits in den vorherigen Krimis vorkamen, ganz nebenbei – während die Handlung langsam in Fahrt kommt – kurz vor.

Robert Korntheuer
01.09.2008

 
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Das Buch:

Esmahan Aykol: Scheidung auf Türkisch. Ein Fall für Kati Hirschel. Aus dem Türkischen von Antje Bauer

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Zürich: Diogenes 2008
336 S., € 19,90
ISBN: 978-3-257-06677-7

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