Krimis & Thriller

Und immer wieder Trojan!

Wieder mal bietet sich Nils Trojan bei der Tatortbegehung ein absurdes Bild: Auf dem Boden liegen Blütenblätter, Kerzen brennen und werfen ein schauriges Licht auf die tote Frau, die perfekt gestylt das Diesseits verlassen hat. Garniert wird der morbide Schauplatz schließlich mit unzähligen Schnecken, die in ihrem ureigenen Tempo Bewegung in die Totenstarre zu bringen scheinen. Der über die Jahre ob ähnlicher Fälle abgehärtete Kommissar wird bereits kurze Zeit später zu einem weiteren Andachtsplatz gerufen, wenn im Wald ein zweites Opfer ähnlich drapiert aufgefunden wird. Die Zeit drängt und guter Rat ist teuer. Peu à peu lässt der Serienmörder Trojan und sein Team Ähnlichkeiten entdecken. Doch wie viele Menschenleben braucht es noch, um den Täter dingfest zu machen?

"Der Mondscheinmann", der eigentlich auch der "Schneckenmann" hätte heißen können, ist der Titel des neuesten Krimis um den Berliner Kommissar Nils Trojan. Der Autor Max Bentow hat seinen bundesweiten Ruhm als erfolgreicher Krimi-Autor zu einem großen Teil seiner Nils-Trojan-Reihe zu verdanken. Dieses, sein zehntes Buch markiert den achten Fall seines Protagonisten. Vor mittlerweile neun Jahren war ihm mit "Der Federmann" ein fulminantes Debüt gelungen, das definitiv Lust auf mehr machte. Bentows Leser erwarteten fortan einen neuen Trojan nach dem anderen. Der Autor liefert sehr zuverlässig, mehr oder weniger im Jahrestakt. Bis auf die beiden Non-Trojans "Das Porzellanmädchen" und "Rotkäppchens Traum" stand stets der geschundene Kommissar im Mittelpunkt bei der Aufklärung perfider Verbrechen.

Dass die Digitalisierung auch im Bücher-Business weiter voranschreitet, ist nicht von der Hand zu weisen. Von den drei Erscheinungsformaten für "Der Mondscheinmann" ist nunmehr nur noch ein einziges haptischer Natur. Die vorliegende Print-Ausgabe kommt mit stattlichen 416 Seiten daher. Neben der eBook-Ausgabe gibt es für die Freunde des gesprochenen Buches leider nur noch den Hörbuch-Download einer ungekürzten Lesung durch Axel Milberg. Bei Random House hat man bei "Der Mondscheinmann" auf die bisher so erfolgreichen CD-Ausgaben verzichtet. Schade, jedoch untrügliches Indiz für eine sich immer weiter digitalisierende Gesellschaft, bleibt womöglich als nächster und finaler Schritt zur Reduktion eines Tages nur noch der Verzicht auf das gedruckte Buch. Doch bis dahin gehen hoffentlich noch ein paar Jahre ins Land und Nils Trojan löst den einen oder anderen Fall in der deutschen Hauptstadt.

Bentows Schreibstil ist im vorliegenden achten Fall gewohnt hochklassig. Es fällt nicht schwer, das Buch innerhalb kürzester Zeit zu verschlingen. Für Abwechslung sorgt er durch die Verflechtung weiterer Handlungsstränge, einer mit der Rückblende eines kleinen Jungen, ein anderer mit der Buchhändlerin und Klavierspielerin Lydia, die sich im Visier des "Schneckenmanns" zu befinden scheint. Dazu gesellt sich Nils Trojan als eigener Handlungsstrang, zu prominent sind dieses Mal nämlich seine Gedanken um einen Ausstieg aus dem Polizeijob. Panikattacken bringen den Kommissar an den Rand des Wahnsinns. Wie lange wird er es noch aushalten, Perverse und Fieslinge zu jagen und zur Strecke zu bringen?

Bei Serien wie der vorliegenden um Nils Trojan fragen sich Leser, die den Neueinstieg wagen möchten, immer wieder, ob sie den Seiteneingang nehmen können? Obgleich die zentralen Charaktere natürlich fortgeführt und weiterentwickelt werden, erlaubt Max Bentow durch entsprechende Einschübe auch Neueinsteigern ohne Vorkenntnisse ein geschmeidiges Leseerlebnis. Die ersten sieben Bände werden die begeisterten Leser dann sicherlich von ganz alleine nachholen. Dennoch ist ein Autor, der sich wie Bentow in einem alljährlichen Hamsterrad des Produzierenmüssens befindet, gut beraten, seine Serie nicht ausschließlich um der geschlossenen Verträge willen Jahr für Jahr mit einem weiteren Werk zu beglücken. Gegebenenfalls wäre auch Nils Trojan zwecks Erhaltung der Qualität damit einverstanden, wenn der Autor sich irgendwann einmal ein wenig mehr Zeit nähme, um die Serie in der Erfolgsspur zu halten. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wie und ob es mit Nils Trojan weitergeht.

Christoph Mahnel 
12.10.2020

 
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Das Buch:

Max Bentow: Der Mondscheinmann. Psychothriller

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München: Goldmann Verlag 2020 416 S., € 15,00 ISBN: 978-3-442-20614-8

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