Kinder- & Jugendbücher

Was die Wahrheit alles kann ...

Normandy, Dusk und Neil sind ganz "normale" Schüler an einer Kunstschule. Besuchen die elfte Klasse und sind unzertrennlich. Zu Beginn des Schuljahres sprechen sie aus einer zufälligen Begebenheit heraus eine Mitschülerin auf eine vermeintlich unangenehme Wahrheit an. Da ihre Befragung von Erfolg gekrönt ist, gründen sie kurzerhand eine Wahrheitskommission, um ihre Mitmenschen auf die hinter den an ihrer Schule kursierenden Gerüchten liegende Wahrheit anzusprechen. - Wer hätte während seiner Schulzeit nicht gerne den Mut gehabt, diese Wahrheiten herauszubekommen? - Innerhalb weniger Wochen treten sie eine Bewegung los, mit der sie nicht gerechnet haben und die einer Lawine gleicht, die sie nicht mehr aufhalten können. Schließlich droht sogar ein Mitglied der Kommission vom Drang nach der Wahrheit überschüttet und von den losgetretenen Ereignissen eingeholt zu werden.

Susan Juby ist mit ihrem mittlerweile zehnten Buch, das erste, das ins Deutsche übersetzt wurde, ein wundervoller Roman übers Erwachsenwerden gelungen. Ihre Erzählung sprüht vor Witz und die Beschreibungen ihrer Charaktere ist einfach wunderbar. Dass sie jedoch bis zu einem gewissen Punkt limitiert sind, liegt an dem Kunstgriff, zu dem Juby gegriffen hat, um die Geschichte zu erzählen. Sie lässt nämlich den Hauptcharakter der Geschichte, Normandy Pale, dieselbe als Kunstprojekt ihrer Schule selbst erzählen bzw. als Essay niederschreiben. So erfahren wir die oben beschriebenen Ereignisse aus Normandys Sicht.

Geschickt schafft es Juby die Befragungen der Mitschüler in ein Familiendrama um Normandy einzuweben und bei all den scheinbar im Fokus liegenden alltäglichen Problemen, Gerüchten und Wahrheiten der Schule und in der Familie auch jene Wahrheiten einzubeziehen, die den Reiz des Lebens und des Erwachsenwerdens und -seins ausmachen. Es gelingt ihr an Normandy zu zeigen, wozu die Suche nach Wahrheit führt und warum sie, selbst bei der Suche bei anderen, auch immer rekursiv ist. Am Ende ist man überrascht, wozu diese Suche geführt hat und vermeintlich leicht zu erahnende Wendungen und Wahrheiten über einige Charaktere der Geschichte, die enttäuschend wirken könnten, stellen sich möglicherweise als Irrtümer heraus.

Die essayistische Form in der der Roman daher kommt fängt dabei auf, was sonst vielleicht Grund zur Kritik geboten hätte. Auch hier kann man Juby zu ihrer Konstruktion nur gratulieren. Hoffentlich verkauft sich "Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen" so gut, dass auch ihre früheren Werke übertragen werden. Wenn sie auch nur ähnlich gut sind, wie "Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen", hätten sie es redlich verdient.

Sven Zerbes
27.04.2015

 

Bester Lesespaß von einer verdammt guten Autorin

Dusk (eigentlich Dawn, aber "aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und Veranlagung, die eher der Abenddämmerung als der Morgenröte entsprechen, bevorzugt sie Dusk"), Normandy und Neil sind beste Freunde seit Kindertagen. Sie erzählen sich alles und scheinen keinerlei Geheimnisse voreinander zu haben. Doch ist das wirklich die Wahrheit? Von der wollen die drei jedenfalls mehr erfahren - und zwar von einer ihrer Klassenkameradinnen. Nach den Sommerferien taucht Aimee mit wundersam geschrumpfter Nase und magisch aufgepumptem Busen in der Schule auf. Wurde da nachgeholfen? Auf der Suche nach Antwort wagt Neil einen ungewöhnlichen Schritt: Er fragt Aimee einfach. Und diese sagt ihm tatsächlich, was es mit dieser Veränderung genau auf sich hat.

Da kommt Dusk auf eine Idee: Jede Woche wird abwechselnd einer von ihnen einem Menschen aus der Schule eine Frage stellen, die bislang niemand auszusprechen wagte, obwohl alle nach der Antwort lechzen. So wollen sie von der Sekretärin wissen, ob sie wirklich alle Schüler hasst. Und von dem Freak aus der 12., ob er Drogen nimmt. Oder von dem Mädchen aus dem Sportverein, ob sie mit einem ihrer Teamkollegen was am Laufen hat oder gar mit beiden. Es ist ein äußerst gewagtes Experiment und der Erfolg von diesem mehr als ungewiss. Während sich Dusk und Neil mit Feuereifer für die Wahrheitskommission einsetzen, zögert Normandy allerdings. Die hat an den Wahrheiten in der eigenen Familie ordentlich zu knabbern. Diese sind nämlich alles andere als ohne ...

Unterhaltung, für die man liebend gerne alles stehen und liegen lässt - die Romane aus der Feder von Susan Juby bedeuten Lesegenuss pur. "Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen" löst beim Leser große Begeisterung aus. Und noch mehr: Nach wenigen Seiten macht das Herz immer wieder kleine Freudenhüpfer. Ein besseres Lesevergnügen kann man sich kaum wünschen. Langeweile ist mit einem Werk der Kanadierin jedenfalls kein Thema mehr. Hier findet man alles, was man von einer guten Lektüre nur erwarten kann, insbesondere große Gefühle im Übermaß. Am Ende ist man wunschlos glücklich, und einem geradezu schwindelig ob solch eines Leseerlebnisses. Wenn es ein Buch gibt, das man dieses Frühjahr unbedingt kaufen sollte, dann dieses.

Ohne jeden Zweifel: Susan Jubys Debüt darf man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. "Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen" ist nämlich Jugendliteratur at its best. Kein Wunder, dass man das vorliegende Buch partout nicht weglegen kann. Es gehört definitiv zum Besten, was man in die Hand bekommen kann - genauso wie alle anderen Werke der Autorin. Juby schreibt Geschichten, die unglaublich großen Lesespaß über viele, viele Stunden bereiten.

Susann Fleischer
27.04.2015

 
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Das Buch:

Susan Juby: Der Tag, als wir begannen, die Wahrheit zu sagen. Übersetzt von Eva Müller-Hierteis

München: cbj Verlag 2015
352 S., €16,99
ab 12 Jahren
ISBN 978-3-570-15998-9

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