Kinder- & Jugendbücher

Risiken und Nebenwirkungen

Das neue Sams-Buch hält gleich zu Beginn eine Überraschung für seine Fangemeinde bereit: Nicht die sonst fest zum Sams gehörende Familie Taschenbier steht im Zentrum des Geschehens, sondern Martins Sportlehrer Herr Daume, den die Leser schon aus dem vorherigen Band "Ein Sams für Martin Taschenbier" kennen. Der hat nämlich während der dort geschilderten Schulskifreizeit mitbekommen, warum Martin Taschenbier – sonst der unsportlichste und zurückhaltendste Junge der ganzen Klasse – plötzlich im Abfahrtslauf allen rasant davonsauste. Ein seltsames rothaariges und rüsselnasiges Wesen namens Sams steckte dahinter, das voller blauer Wunschpunkte ist, sodass sich sein Besitzer nur etwas zu wünschen braucht, und schon geht es in Erfüllung. Also hat Herr Daume bei passender Gelegenheit die "Sams-Rückhol-Tropfen" aus Martins Koffer gestohlen, um ebenfalls in diesen Genuss zu kommen. Denn Wünsche hat er sehr viele. So möchte er z. B. frischen Wind in den Rollschuhverein bringen, dem er angehört, und deshalb soll das Sams ihm helfen, bei der anstehenden Präsidentenwahl den Vorsitz zu bekommen, um den Verein erst einmal flott in "Inline-Skating-Club" umbenennen zu können.

Überhaupt ist Herr Daume ein "Sportsman", und das will er auch nach außen zeigen. Ein neues Auto muss her, ein Bugatti! Bei ihm zu Hause sitzt ja das Sams, und ob es will oder nicht, es muss ihm die Wünsche erfüllen. Dass es mit jedem Wunsch ein wenig schrumpft und "Au!" schreit, weil es anstelle der blauen Punkte rote Verbrennungen im Gesicht erhält, stört ihn nicht, er hat nur seine Ziele im Auge und setzt diese rücksichtslos durch.

Lediglich die Nebenwirkungen der "widerrechtlichen Wünsche" – eigentlich darf das Sams ja nur den Mitgliedern der Familie Taschenbier dienlich sein – machen ihm zu schaffen, denn es gefällt ihm ganz und gar nicht, dass ihm alle Knöpfe vom Hemd springen, sein Mofa einer eigenwilligen Verwandlung unterzogen wird und vor allem dass anstelle eines Teppichs eine üppige grüne Wiese samt Blüten in seinem Zimmer den Boden bedeckt, denn er hat Heuschnupfen. Also so ganz einfach ist es nicht, das Sams in seine Gewalt zu bringen. Außerdem ist es kackfrech und sagt ihm am laufenden Band Unverschämtheiten ins Gesicht.

Aber bei allem Spaß, den das bringt, kriecht beim Lesen doch langsam eine leichte Gänsehaut den Rücken hoch. Denn nicht nur dass Herr Daume das Sams in den dunklen Besenschrank sperrt und dem bekanntlich ständig hungrigen Kerlchen nichts zu essen gibt – was ist, wenn das Sams wirklich so weit schrumpft, dass es schließlich ganz weg ist? Wie kann der kleine Kerl mit der Familie Taschenbier in Kontakt treten, ohne dass Daume es merkt? Wie kann ihm geholfen werden? Zumal ein Wunsch lautete, dass es nicht mit Martin Taschenbier sprechen darf! Doch natürlich weiß das Sams sich zu helfen. Es dauert zwar etwas, bis die bisweilen etwas phlegmatische Familie Taschenbier kapiert, was mit den verschwundenen Sams-Rückhol-Tropfen passiert ist, wieso ihnen von entfernten Bekannten und Kellnern Zettel mit Hilferufen zugesteckt werden und was das für eine seltsame kleinwüchsige Lehrerin ist, die mit dem sonst eher konservativen Direktor vor der Klasse Rasenmäher spielt. Doch dann fällt der Groschen, und Martin macht sich mit seinen Freunden Roland und Tina daran, das Sams aus den Fängen des charakterlosen Sportlehrers zu befreien – gleichzeitig, aber ohne voneinander zu wissen, mit dem bereits bewährten Team Herr Taschenbier und Herr Mon. Das gibt natürlich Verwicklungen!

Schließlich ist es Martin Taschenbier allein, der es mit Pfiffigkeit und Mut schafft, seinen Freund aus der verzwickten Lage zu befreien. Ganz offensichtlich wird hier, dass er schon so manches vom Sams gelernt hat und sich auch ohne den Freund im Leben zurechtfindet. Er ist also schon einen Schritt weiter als im vorherigen Band.

Witzig-spritzig und immer voller guter Laune kommt das Sams daher. Selbst in den verzwicktesten Situationen ist es durch nichts zu beeindrucken und von einer nimmermüden Fabulierlaune. Irgendwie fällt es schwer, die Gefahr, in der es hier steckt, so richtig ernst zu nehmen. Doch gerade diese Ambivalenz zwischen Spaß und Spannung macht das Buch reizvoll. Immerhin kämpfen die Attribute über mehrere Seiten heftig um die Vorherrschaft, wobei das stete Schrumpfen des Sams’, dem bald der Taucheranzug viel zu groß wird, der Gradmesser für die spannenden Komponenten ist. Die Szene, in der sich die beiden Samsbefreiungsteams gegenseitig in die Flucht schlagen, ist ebenso Nerven aufreibend wie amüsant.

Denn wenn das Sams auf alle grauseligen Drohungen seines Widersachers – der selbst nichts als eine Witzfigur ist – ungerührt weiterkalauert, steht einem schon wieder das Grinsen im Gesicht, und das verhindert erfolgreich einen krimitauglichen Schauer. Im Grunde erweist sich die Kombination von Sams und Bösewicht als nicht kompatibel. Schon dass mit dem Computerfreak Roland, der kleinen Liebesgeschichte zwischen Martin und Tina oder auch Anspielungen auf Harry Potter oder gar Lara Croft die tatsächliche Lebenswelt Eingang in die Story findet, befremdet und fasziniert zugleich. Doch die Kinder, für die das Buch geschrieben wurde, haben damit keine Probleme. Reine Märchen haben es ja heute auch schwer, von den ab 6-Jährigen akzeptiert zu werden. Paul Maars Bestseller hingegen werden verschlungen, sicherlich auch dieser neue Band.

dgk
09.09.2002

 
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Das Buch:

Paul Maar: Sams in Gefahr

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Hamburg: Oettinger Verlag 2002
208 S., € 9,90
ISBN: 3-7891-4233-6

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