Gedichtbände

Sehen mit den Ohren - oder hören mit den Augen?

Menschen, Tiere, Pflanzen, unsere Umwelt und unser gesamter Lebensraum: Alles zählt wie selbstverständlich zu unserem täglichen Leben. Aber was davon nehmen wir wirklich noch genau wahr - und vor allem wie? Farben aller Art stechen immer gleich ins Auge, doch wie ist es mit anderen Auffassungsgaben?

Einen hochinteressanten Aspekt des sinnlichen Erfassens von Eindrücken bietet das akustische Empfinden. Die Autorin liegt in ihrem Bändchen über 130 Gedichte vor, mit denen sie die Leser an ihren feinfühligen und scharfsinnigen Beobachtungen zum Thema (Zu-)Hören teilhaben lässt und auf die lyrische Reise in eine Welt voller Töne, Klänge, Geräusche und Lärm mitnimmt, wie man sie so bestimmt noch nicht erlebt hat.

Fast alle Synonyme aus dem Bereich der Akustik werden verwendet. Beim fließenden Wasser etwa finden sich sämtliche Facetten wie zischen, spritzen, rauschen, glucksen, plätschern, flüstern und murmeln- und fast immer melodisch.

Aber auch die verschiedensten Musikinstrumente oder gleich ein ganzes Orchester kommen zum Einsatz - verblüffenderweise dort, wo man sie gerade nicht vermuten würde. Oft werden Naturschauspiele zu Klangbildern zusammengesetzt, teilweise fantasievoll umrahmt von Nymphen, Nixen, Nornen, Sirenen, Vampiren, Elfen und (Wasser-)Geistern. Das an für sich lautlose Schauspiel einer Sonnenfinsternis wird nicht nur von Dunkelheit und Kälte begleitet, sondern auch von Cello, Bläsern, Geigen, Posaunen, Streichern und Hörnern. Oder einige Tiere werden zu Tänzern und Musikern - Libellen tanzen bunt und elfengleich und laden Grillen, Schmetterlinge und Amsel dazu ein.

Es sind besonders die unerwarteten Einfälle und Gedanken der Autorin zu allerlei Kleinigkeiten, die einen immer wieder überraschen, manchmal in malerische, farbenfrohe und stimmungsvolle Szenen eingebettet und verbunden mit wechselnden Gefühlen von Freud und Leid. Nicht zu Unrecht macht letztlich der Ton immer die Musik.

Nach diesen vielen taktvollen Reigen voller rhythmischer Melodien geht man wohl mit noch schärferen Sinnen durchs Leben und erfreut sich nicht nur an neuen Eindrücken, sondern auch wieder an alltäglichen Dingen, die man sonst vielleicht gar nicht mehr registrieren würde.

Andreas Berger
17.05.2016

 
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Das Buch:

Renate Dalaun: Im Bann der Töne

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2016 142 S., € 13,80 ISBN: 978-3-8372-1856-5

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