Gedichtbände

Gedichte - behütete Zuversicht

Von Hannelore Burdorf-Lautenbach liegt wieder ein Buch vor: "Vom Widerschein". Sie selber "positioniert" diesen kleinen Gedichtband mit dem Hinweis, dass es sich um "Einübungen religionsphilosophischen Denkens in Form von Lyrik" handle. Und sie verrät auch gleich, woher die Anregung stammt: Es war Markus von Hänsel-Hohenhausen gewesen, der mit seinem Buch "Vom Antlitz in der Welt" auf Hannelore Burdorf offensichtlich viel Eindruck gemacht hatte. 

"Religionsphilosophisches Denken" - das könnte viele Interessenten davon abhalten, sich diesen Gedichten zu nähern. Dazu ist zu sagen, dass die Verse gerade nicht in akademische Gefilde entfliehen, sondern sehr nahe bleiben und auch entsprechend persönlich ansprechen. Das gilt übrigens für beide Teile des Buches. 

Im ersten Teil - "Vom Widerschein" - tritt eine Gläubigkeit zutage, die dem ganzen Werk ein bestimmtes Gepräge verleiht. "Wunderbar", heisst es in einer sehr typischen Strophe, "wenn zuweilen in einem Antlitz GOTT aufleuchtet." Damit erhält der Buchtitel auch seinen Sinn. Manches kommt als Gebet zum Leser ("In Klausur"). "Hilf mir, Wesenhaftes einzeln anzuschau’n und auszuwählen", bittet sie im Gedicht "Relation II". Und sie bezeichnet wiederholt die Stellen in der Heiligen Schrift, die dem jeweiligen Gedicht zu Grunde liegen. Das mag traditionell, vielleicht sogar alt wirken. Aber gleichzeitig ist diese mutige Offenheit auch ausgesprochen frisch und zeitgemäss. 

Man wird einige dieser Gedichte im ersten Teil als Bekenntnisse wahrnehmen, sie sind indessen alles andere als aufdringlich, sie sind ganz einfach wahr gefühlt. Nicht alles ist lange und episch ausgeführt, manches bleibt als Fresko stehen und regt damit umso mehr den Leser an. 

"Es ziehet erd- und himmelwärts", schreibt Hannelore Burdorf. Dieser Passus gilt vor allem für den Teil II: "Vom Aufgang des Schönen". Er entwickelt sich in der Natur. Die Gedichte wirken getragen, nie geschwätzig, eher still. Noch mehr als im ersten Teil entfaltet sich hier die poetische Schönheit, um den Leser zu erfreuen. Tatsächlich: Das Buch stimmt zuversichtlich, verbreitet Freude, lässt das Wohlbehütetsein spüren. Fröhlich verweilt man "Bei den Birken" und geniesst in "Knospen" das Feine dieser Dichtkunst. Man sitzt "Am Quell", erwartungsfroh, und erfasst den Grundzug dieses Buches, dass eben die ganze Natur beseelt erscheint. Der Behauptung, dass den Blumen Klang und Sprache fehlten und sie deshalb zu keiner Seele fähig wären, dem wird mit einer gewissen Festigkeit widersprochen. 

Den Gedichten ist eine sprachliche Ästhetik eigen. "Lagernde Schatten" mag hier als Beispiel dienen. "Mittag" und "Im Atem des Ewigen" kommt eine meditative Wirkung zu. Gleiches gilt für "Sanftmut", das mit den Worten endet: "... sie haben den Hirten". Das Behütetsein ist ein inhaltliches Merkmal dieser Dichtung, und das Formale unterstützt diesen schönen Grundzug. 

Der Epilog schliesst die Klammer dieses zweiteiligen Werkes: "Wenn wir einst zurückkehren in den Himmlischen Garten, lass Bäume, Blumen und Vögel uns dort auch erwarten!" Damit endet die Folge und macht das Ganze rund. 

Nach der Lektüre werden hier und dort Fragen aufsteigen und weiter beschäftigen. Lässt sich der Leser vom Bekenntnisartigen, das hinter den Zeilen steckt, überhaupt packen, oder polarisiert diese Haltung viel mehr? Was ist philosophisch anzumerken, will man eine Schublade suchen, in der sich das Gesagte theoretisch einordnen lässt, oder will man ganz einfach in sich eine Saite anklingen lassen, die in der Hektik des Alltags ja oft genug völlig stumm zu bleiben droht? Will man erkennen, oder will man sich freuen, oder lässt sich gar in der Poesie gleich beides wagen? 

Ronald Roggen 
09.08.2010

 
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Das Buch:

H. Burdorf-Lautenbach: Vom Widerschein

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2009
141 S., € 13,80
ISBN: 978-3-8372-0484-1

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