Erzählbände & Kurzprosa

Böse , respektlos und komisch

Wohltuend b?se, respektlos, sehr komisch und bisweilen befremdlich kommen diese sechs l?ngeren Erz?hlungen daher, die auf verschlungenen famili?ren Pfaden miteinander verbunden sind. Der in Berlin lebende Autor Wolfgang Herrndorf, der 2002 seinen Deb?troman ?In Pl?schgewittern? vorgelegt hat, schickt seine gl?cklosen Protagonisten auf vertrackte Expeditionen, die nicht selten im Desaster m?nden. Dies kann spektakul?r oder ganz leise passieren, als greller Weltuntergang oder idyllisches Verlorengehen.

Drei N?rnberger Kunststudenten, die sich eigentlich nicht ausstehen k?nnen, machen sich in einem schrottreifen Auto auf den Weg nach Italien. Irgendwann findet sich der Ich-Erz?hler allein auf der Stra?e wieder, seine merkw?rdigen Kommilitonen haben ihn an der Autobahn sitzen gelassen. ?Ich sah wei?e H?user und gr?ne Stra?enschilder und immer wieder Zypressen, endlose Reihen von Zypressen, ?ber die Schopenhauer nicht zu Unrecht schrieb, sie seien die d?mlichsten unter allen B?umen.?

In der zweiten Geschichte, ?Blume von Tsingtao?, die wie ein schlechter Film wirkt, setzt sich ein Krankenpfleger aus Berlin, dessen Patienten erstaunlich oft das Zeitliche segnen, mit einem Batzen Geld nach China ab, erlebt dort haarstr?ubende Abenteuer, unternimmt eine Schiffsreise nach Japan und landet schlie?lich im Knast. Die letzte Information wird aber erst hundert Seiten sp?ter in einem Nebensatz auf einer Party in Berlin nachgereicht. Alles h?ngt irgendwie miteinander zusammen, ist sozusagen verlinkt.

Aber der Herrndorfsche Wahnsinn hat Methode. Ein mysteri?ser Flugzeugabsturz, der sich im August 2005 ?ber Griechenland ereignet hat, bildet eine Art Hintergrundmotiv f?r dieses Geschichten-Puzzle.
Und nicht alles endet katastrophal.

In ?Diesseits des Van-Allen- G?rtels? sitzt ein schlecht gelaunter Mittvierziger mit einem dreizehnj?hrigen Nachbarsjungen in einer Sommernacht auf dem Balkon. Der altkluge Teenager erz?hlt von seiner Absicht, Kosmonaut zu werden, erntet daf?r aber nur Hohn und Spott.
Der desillusionierte ?ltere meint, die Mondlandung habe gar nicht stattgefunden, sondern sei in einem Studio nachgestellt worden. Aber eigentlich scheint er neidisch zu sein auf die naiven Tr?ume des Jugendlichen. Kosmische Leere durchweht die Szenerie: ?In der Stra?e hinter dem H?userblock klirrte die Tram vorbei, mit hundert schwarzen Augen schaute Nichts vom Firmament.?

Ansonsten teilt Herrndorf durchaus gerne aus, macht sich lustig ?ber Kollegen, findet den Berlin-Hype einfach nur l?cherlich, demaskiert das allt?gliche Geschw?tz und liefert ganz nebenbei ein satirisch grundiertes Sittenbild der digitalen Boh?me - lauter gut ausgebildete Arbeitsnomaden, die sich von Projekt zu Projekt hangeln:
?W?hrend ich ?ber all das nachdachte, fiel mir zum ersten Mal auf, dass ich niemanden mehr in meinem Bekanntenkreis hatte, der einen Beruf hatte, von dem ich die Berufsbezeichnung wusste.? Alles ist prek?r geworden, steht auf der Kippe - nicht zuletzt von diesem existenziellen Taumel handeln diese Geschichten, niemals larmoyant, manchmal bem?ht, fast immer komisch.

Der in Hamburg geborene Herrndorf studierte Malerei in N?rnberg und bekam 2004 beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb den Publikumspreis f?r eine Vorform von ?Diesseits des Van-Allen- G?rtels?.

Johannes von der Gathen
28.02.2007

 
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Das Buch:

Wolfgang Herrndorf: Diesseits des Van-Allen-Gürtels

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Frankfurt/M.: Eichborn Verlag 2007
185 S., € 17,90
ISBN: 978-3-8218-5794-7

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