Erzählbände & Kurzprosa

Unterhaltsame und kurzweilige Geschichten

"Ein bunter Strauss von Blumen mit und ohne Dornen" des Schweizer Autors Werner Emch versammelt unterhaltsame und kurzweilige Kurzgeschichten vor dörflichem und alpenländischem Panorama. Es ist Emchs zweites Buch nach seinem Debütroman "Wie ein Feuer im Wind", in dem er die Lebens- und Leidensgeschichte seines Protagonisten Thomas Wenger schilderte.

In kurzen Episoden veranschaulicht Emch gewöhnliche und außergewöhnliche Begebenheiten aus dem Alltag seiner Protagonisten, bei denen es sich meist um typische Vertreter des von Emch geschilderten, bäuerlich geprägten Schweizer Mittellandes handelt. Die Schrullen und Schwächen seiner Figuren nimmt Emch gekonnt aufs Korn, lässt stets jedoch auch eine gewisse Sympathie für deren Eigenarten und Anteilnahme an ihren Schicksalen erkennen.

Da begegnet der Leser etwa dem katholischen Dorfpfarrer Sprecher, der sich als "wahrhaft guter Hirte" erweist, indem er die geliebte Ziege des jungen Ich-Erzählers eigenhändig vor den Fängen eines wild gewordenen Schäferhundes rettet, der seinen Mut aber auch dadurch beweist, dass er sich öffentlich den politischen Kungeleien anlässlich der Wahl zum Präsidenten der Landsgemeinde widersetzt. Da begegnen einem aber auch "Dorforiginale" wie der "Berteli", der unter der Fuchtel seiner als "Dorfhexe" verschrienen Frau steht. Geradezu liebevoll schildert Emch die Geschichte des "Batzsepp", der als einfältiger aber gutmütiger Tagelöhner sein einsames Junggesellendasein am Rande der dörflichen Gemeinschaft in einem heruntergekommenen Häuschen fristet.

In zeitlicher Hinsicht umfassen Emchs Geschichten vor allem die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts, reichen zum Teil aber auch weiter zurück. Ein Schwerpunkt liegt sicherlich auf der Jugendzeit des Autors in den Fünfzigern und Sechzigern. Neben den schon erwähnten Erzählungen über den "wahrhaft guten Hirten" und den "Batzsepp" zählen hierzu auch "Schwein gehabt", "Die unsichtbaren Besucher" und "Aufklärung früher". Letztere schildert auf amüsante Weise die Sexualmoral der katholisch geprägten Landbevölkerung in den Fünfzigern, die den kindlichen Erzähler vor die Herausforderung stellt, sich anhand seines in der Tierzucht gewonnen Anschauungsmaterials zu erschließen, wie die "Sache" wohl zwischen Menschen ablaufen mag.

Durch den weitgefassten Zeitraum seiner Erzählungen schafft Emch beim Leser eine Vorstellung des tiefgreifenden Wandels, der auch die abgeschiedensten Regionen der ländlichen Schweiz in den letzten Jahrzehnten erfasst hat.

Der Einfachheit des geschilderten ländlichen Lebens entspricht die Klarheit und Schnörkellosigkeit des sprachlichen Ausdrucks. Positiv bleiben dabei vor allem die ausführlichen und anschaulichen Orts- und Landschaftsbeschreibungen in Erinnerung, die auch dem Ortsunkundigen eine plastische Vorstellung des Alpenpanoramas vermitteln, in dem Emch seine Geschichten spielen lässt. Beispielhaft sei hier der Anfang von "Einsam auf einer kleinen Insel" zitiert: "Es war Sonntag, nach dem Mittagessen, als ich durchs Küchenfenster nach draussen schaute; in Richtung des am Hause vorbeifliessenden Baches. Am gegenüberliegenden Ufer ragten hohe Eschen kahl in den düsteren, grauen Himmel. An den dazwischen stehenden Haselsträuchern wogten sich noch vereinzelte bräunlich-gelbe Blätter im sanften Wind. Weiter weg hoben sich einige schwarzgrüne Fichten vom, durch die typische Novemberstimmung geprägten, Bilde ab. Bei schönem Wetter, oder bei sehr hohem Gewölk, bildete, über diesen Wipfeln, der obere Rand der Stallfluh den Horizont. Heute schien dieser über 1400 Meter hohe Bergrücken nicht vorhanden zu sein."

Der Erzählstil changiert zwischen personaler und Ich-Erzählung. Lediglich in "Die Anhalterin" gibt Emch die personale zugunsten einer auktorialen Erzählperspektive auf, um den Leser an den Gedanken der beiden Protagonisten teilhaben zu lassen, deren äußere schüchterne Distanziertheit in scharfem Kontrast zum beide innerlich umtreibenden amourösen Interesse steht.

Insgesamt hinterlässt Werner Emchs zweites Buch einen überaus positiven Eindruck. Trotz der vordergründigen Banalität der geschilderten Ereignisse gleiten Emchs Kurzgeschichten nie in Belanglosigkeit ab. Vieles liest sich aufgrund der Skurrilität der beschriebenen Ereignisse und Charaktere überaus amüsant. Meist finden die Geschehnisse zu einem guten Ende. Dennoch stellt sich für den Leser nie das Gefühl schwülstiger Romantik und Heimattümelei ein. Zu deutlich schildert Emch nämlich auch das Abgründige des dörflichen Lebens. Beispiele hierfür sind etwa das einsame Schicksal des "Batzsepp" oder das des Bergbauern Scheurer, der, nach einem Leben voll harter Arbeit zunehmend in Demenz versinkend, am Tage seines Todes eines Familienfestes mit seinen verstorbenen oder verstreut lebenden Angehörigen harrt, das nie stattfinden wird.

Hugo Meier
26.05.2014

 
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Das Buch:

Werner Emch: Ein bunter Strauss von Blumen mit und ohne Dornen

Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2014
96 S., € 11,80
ISBN: 978-3-8372-1437-6

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