Erzählbände & Kurzprosa
Klassiker der Brüder Grimm
Heutzutage kennt sie jeder, die alten Erzählungen über Wassermänner, Nixen, Zwerge, Kobolde und ähnliche Wesen, die uns Menschen mal hilfreich zur Seite stehen oder mal übel mitspielen. Auch wenn mit dem Lichte der Aufklärung und der Erfindung der elektrischen Glühbirne der Raum für diese Figuren in der modernen Welt immer mehr abnahm, haben sie sich doch hartnäckig in unserem Gedächtnis festgesetzt. Verantwortlich hierfür sind vor allem die "Deutschen Sagen" der Brüder Grimm, die jetzt durch den Anaconda Verlag eine neue Auflage erfahren haben.
Nach mehrjähriger Sammeltätigkeit veröffentlichten Jacob und Wilhelm Grimm in den Jahren 1816 und 1818 die "Deutschen Sagen" in zwei Bänden - ihr zweites großes Sammelwerk nach den "Kinder- und Hausmärchen". Den ersten Band bilden nach der Einteilung der Grimms 363 Ortssagen, der zweite setzt sich aus 222 historischen Sagen zusammen. Die vorliegende Ausgabe vereint beide Bände und führt daneben auch deren von den ursprünglichen Herausgebern verfasste Vorreden, eine Vorbemerkung von Wilhelm Grimm sowie das originale Register der Erstausgabe mit der Nennung der Herkunft der Sagen und den Zusätzen der beiden Brüder auf.
Neben eher regional bekannten Stoffen finden sich auch die weithin bekannten Sagen vom Tannhäuser, von Lohengrin, von Heinrich dem Löwen und von Wilhelm Tell, die Dichter und Opernschreiber zu weltbekannten Stücken inspiriert haben. Oder auch die Klassiker, wie die Erzählung von dem Binger Mäuseturm, dem Rattenfänger von Hameln, den Weibern von Weinsberg oder von Martin Luther, der auf der Wartburg - wo übrigens vormals ein sagenumwobener Sängerkrieg stattgefunden haben soll - ein Tintenfass nach dem Teufel warf, als der ihn während seiner Bibelübersetzung störte.
Dankenswerter Weise wurde bei der vorliegenden Ausgabe der "Deutschen Sagen" der originale Sprachton der Brüder Grimm beibehalten, der den Sagen ihren ganz eigenen Charme verleiht. Auch wenn sie nicht mehr so recht in unsere Zeit zu passen scheinen, sind sie doch unleugbar ein Teil unserer kulturellen Identität. Und betrachtet man sich neuere literarische Werke und Filmproduktionen einmal genauer, wird man nach der Lektüre dieses Klassikers erstaunt sein, wie viele Motive dieser scheinbar so antiquierten Erzählungen sich dort wiederfinden. Ein in der Vorrede zum ersten Band von den Brüdern Grimm geäußerter Wunsch geht jedenfalls auch heute noch in Erfüllung, denn "den Liebhabern deutscher Poesie, Geschichte und Sprache" ist dieses Buch und sein kostbarer Inhalt noch immer sehr willkommen!
Christian Götz
17.08.2009