Erzählbände & Kurzprosa

Der Bayerische Wald und seine Bewohner

Wie die Überschrift des Buches "Unvergessene Heimat" schon verlauten lässt, hat sich die Autorin Johanna Hämmerling, die selbst 1926 in Durchfurth im Bayerischen Wald geboren wurde - einem kleinen Dorf im Lallinger Winkel, im nördlichen Bayerischen Wald - den Kurzgeschichten in einer Rückblende gewidmet.

Sieben kleine Geschichten erzählt die Autorin. Dabei bedient sie sich einer sehr feinen, hauchdünnen Atmosphäre, die einfühlsam und dennoch lebendig, das Leben zu Anfang des 20. Jahrhundert widerspiegelt, welches geprägt ist von den Wirren des Zweiten Weltkrieges, aber auch von Armut, einfachster Lebensweise und dennoch von unbändiger Liebe zur Heimat. So erzählt der Kirschbaum von seiner Geschichte: Einem Leben als kräftigem, stämmigem Baum, der den Kindern Abenteuer bietet, Früchten, um sich damit den Bauch vollzuschlagen, Tränen, die seine dicke Rinde auffängt, Streitigkeiten, die auf seinen Ästen ausgetragen werden. Er kennt die Seele der Kinder und hat ein schönes Leben, doch die Zeichen der Zeit gehen auch an ihm nicht vorüber.

Der Nachbar Alois ist ein einschichtiger Mann. In den kleinen Dörfern spricht es sich schnell herum, dass seine Ehe nicht zum Besten bestellt ist. Ständige Streitereien führen schließlich dazu, dass das Paar sich scheiden lässt. Zur damaligen Zeit eine Sünde ohnegleichen - Gotteslästerung. Das hat zur Folge, dass Alois, ohne Frau und Kinder und von den heiligen Sakramenten ausgeschlossen, in ein neues Zuhause zieht. Anfänglich wird er gemieden, wird über ihn geredet, doch er etabliert sich auf seine Weise und schnell gibt es Dinge und Taten, die man ihm hoch anrechnet. Doch im Grunde geht es ihm schlussendlich wie dem Kirschbaum ...

Dann ist da noch Mäxchen, das Christkind und der ganze Stolz der frischgebackenen Eltern und Häuslebauer, der sich nicht so entwickelt, wie er als Stammeshalter sollte, wie man es erwartet. Sein später geborenes Schwesterchen stirbt sogar und so bleibt dem Vater nur Mäxchen, auch wenn von der einst stolzgeschwellten Brust nicht mehr viel übrig ist. Die Mutter nimmt es hin und so lebt die kleine Familie und versucht das Beste daraus zu machen. Mäxchen muss erwachsen werden und irrt durch die Welt, bis auch er sich zu Alois und dem Kirschbaum gesellt.

Aber die Geschichten sind bei weitem nicht nur traurig oder erzählen vom Sterben. Zumal das Sterben nunmal des Menschen letzter Akt auf Erden ist. Nein, Johanna Hämmerlings Kurzgeschichten erzählen auch von Jugendstreichen, von himmlischen Geschehnissen, von Unmut und Übermut, von Vorurteilen und falschem Stolz. Es sind Texte aus dem Alltag des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts, sensibel niedergeschrieben und mit einer gewissen Portion Sehnsucht ausgestattet. Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, nach Gemeinschaft und dem Angenommenwerden. Gerade zur damaligen Zeit wollten die Menschen wieder "ankommen". Dieses kleine Büchlein lädt ein zum Verweilen, zum Nachdenken, zum Erfreuen. Auch zum Vorlesen sind die Kurzgeschichten sehr gut geeignet, weil sie überschaubar sind, nicht ermüden und alles mitbringen, was gute Geschichten brauchen.

Tanja Küsters
04.05.2009

 
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Das Buch:

Johanna Hämmerling: Unvergessene Heimat. Erzählungen

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
47 S., € 6,90
ISBN: 978-3-8372-0307-3

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