Dramen

Das Drama im Menschen

"Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" Diese Parole wird heutzutage genauso gerne verwendet wie im Juli 1834, als "Der Hessische Landbote" des Literaten und Revolutionärs Georg Büchner (1813-1837) erstmals erschien. Thematisiert werden in dieser Streitschrift die sozialen Missstände der damaligen Zeit, in der Büchners Zeitgenossen mit eindringlichen Worten aufgerüttelt werden sollten. Endergebnis war jedoch, dass Büchner steckbrieflich gesucht wurde und mit Gefängnis rechnen musste. Doch soweit sollte es nie kommen, denn der hessische Autor konnte über die französische Grenze nach Straßburg fliehen, wo er die letzten vier Jahre seines Lebens verbringen sollte. 

In der Zeit seines Exils schuf Büchner seine literarischen Werke, die neben denen von Heinrich Heine, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Christian Dietrich Grabbe Vorzeigeobjekte des Vormärz waren - einer literarischen Epoche, in der hauptsächlich oppositionelle bis revolutionäre politische Literatur der Jahrzehnte vor der deutschen Märzrevolution von 1848  veröffentlicht wurden. Sei es das Drama "Dantons Tod", die Erzählung "Lenz", das Lustspiel "Leonce und Lena" oder das Dramenfragment "Woyzeck" - allesamt gehen sie satirisch-kritisch mit damaligen Machtverhältnissen um und sollen ihren Lesern eine unzumutbare Realität vorführen. Insbesondere Woyzeck sticht aus dieser Reihe hervor, denn kaum ein anderes Werk Büchners sollte so oft auf den Bühnen Deutschlands aufgeführt werden. Schließlich stilisiert Büchner den Leipziger Johann Christian Woyzeck (und dessen Mord an der Witwe Johanna Christiane Woost) zu einer literarischen Figur, die an ihrem Schicksal zerbricht. Dabei verändert der Dramatiker die Lebensgeschichte Johann Christian Woyzecks in solchem Maße, das letztendlich der Soldat Franz Woyzeck eindrücklich das Drama im Menschen darstellt und so unmittelbar auf die Theaterbesucher wirkt. Geht es in dem Fragment doch um Liebe und Eifersucht, Freud und Leid, Ausgrenzung aus der Gesellschaft und grenzenlose Demütigung - eben solche Dinge, die jeder Mensch schon einmal kennen lernen musste. Sind wir doch alle nur ein kleines Licht im Universum.

Der S. Fischer Verlag hat mit seiner Edition "Fischer Klassik" eine Nische geschaffen, in der vergessene Werke der Weltliteratur ihre gebührende Beachtung finden. Neben Jane Austen, Charles Dickens, Fjodor M. Dostojewskij, Theodor Fontane, Sigmund Freud und vielen anderen Literaten findet sich eine hochwertige Ausgabe von Georg Büchners "Lenz / Woyzeck". Beim Lesen des Buches kristallisiert sich für den Rezipienten heraus, dass beide Werke trotz ihrer unterschiedlichen Genres unbestreitbare Berührungspunkte haben: Sie kommen mit einer unbeschreiblichen Schwermut daher, wobei ihre (historisierten) Protagonisten am unbarmherzigen Schicksal scheitern müssen - sie haben keine Wahl, sie müssen als tragische Figuren enden. Während die Erzählung mit nur 28 Seiten einen kleinen Teil des Werkes ausmacht, liegt der Schwerpunkt auf den fünf "Woyzeck"-Versionen. Jede einzelne stellt einen Schritt zum Endprodukt dar, das auch nach über 170 Jahre seit seiner Entstehung begeisterte Zuschauer in die Theater lockt.

Obwohl das Hauptaugenmerk des vorliegenden Buches auf den Werken "Lenz" und "Woyzeck" liegt, deren Grundlage die "Kritisch-historische Ausgabe" von Werner R. Lehmann ist, wird das Buch durch Büchners Lebens- und Werkdaten und die Werkbeiträge aus dem "Neuen Kindlers Literatur Lexikon" ergänzt. Diese Beiträge fördern die Lust auf weitere Erforschungen von Georg Büchners Werken und wecken fernerhin die Freude an klassischer Literatur - gemäß der Absicht von "Fischer Klassik".

Susann Fleischer
12.10.2009

 
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Das Buch:

Georg Büchner: Lenz / Woyzeck

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Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2009
128 S., € 8,00
ISBN: 978-3-596-90172-2

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