Briefliteratur & Tagebuch

Das literarische Denkmal eines bewegten Lebens

Das Leben der Käthe Kollwitz ist mehr als ein Buch wert. Die wohl bekannteste Künstlerin des 20. Jahrhunderts zieht bis zum heutigen Tag das Interesse vieler auf sich und lässt diese staunen, denn diese Frau ließ sich durch nichts erschüttern und hat im Laufe ihrer 77 Lebensjahre viel erreicht. Ihre Tagebücher sind ein Zeugnis von Kollwitz' Schaffenskraft, die niemals ein Ende zu finden schien und der wir viele berühmte Radierungen, Lithografien, Holzschnitte, Zeichnungen und Plastiken zu verdanken haben. Doch wer ist der Mensch hinter den Werken? Um diese Frage beantworten zu können, muss man weit zurückreisen in die Vergangenheit und in Käthe Kollwitz' Biographie und zwar mithilfe von "Die Tagebücher. 1908-1943" - einer beeindruckenden Sammlung an Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen der Ausnahmekünstlerin.

Die Künstlerin Käthe Kollwitz schreibt so gut, ausdrucksstark und mitreißend, wie es ihre zahlreichen Kunstwerke sind. Von September 1908 bis Mai 1943 hielt sie in stillen Momenten ihre Geschichte fest. Zeitlebens begleitete ihr Tagebuch sie durch alle Höhen und Tiefen und verließ sie niemals. Es war für sie da, als sie 1914 den Verlust ihres Sohnes Peter beklagen musste und als sie am 29. Mai 1929 in den preußischen Orden pour le merite für Wissenschaft und Künste aufgenommen wurde. Käthe Kollwitz hat viel Leid erlebt, aber auch Momente der Freude. Niemals ließ sich die Künstlerin in ihrem Vorhaben beirren. Spätestens mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte sich Kollwitz auf die Seite der Pazifisten und begann den (verzweifelten) Kampf für den Frieden.

Während der Weimarer Republik entwarf sie Plakate und Flugblätter für die gerechte Sache. Die Nachkriegsnot zerrte auch an ihren Kräften, aber niemals so stark, dass sie sich selbst und ihre Träume aufgab. Erst als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, begann auch für Kollwitz eine schlimme Zeit. Im Februar 1933 wurde sie gezwungen, die Akademie der Künste zu verlassen und ab 1935 gab es für sie ein inoffizielles Ausstellungsverbot. Doch es gab Menschen, die an Kollwitz glaubten - unter ihnen Prinz Ernst Heinrich von Sachsen, der die Künstlerin nach Moritzburg holte, wo sie 1945, drei Wochen vor Kriegsende, verstarb. Die Seiten, die sie bis dahin vollgeschrieben hatte, dienen nun als ein literarisches Denkmal, das der Frau und Künstlerin Käthe Kollwitz mehr als gerecht wird.

Käthe Kollwitz gewährt mit "Die Tagebücher. 1908-1943" dem interessierten Leser ganz tiefe Einblicke in ihr Seelenleben und lässt ihn für die Dauer der Lektüre exklusiv teilhaben an ihren Gedanken und Gefühlen, die jeden gefangen nehmen und im Herzen berühren. Dieses Buch ist das eindringliche Zeugnis eines bewegten Lebens und einer Zeit, die sonst in Vergessenheit geraten würde. Das ist nahezu meisterhafte Kunst, die sich hier ihre Bahn bricht und dabei jeden mit sich fortreißt. Am Ende glaubt man beinahe, man sähe die Autorin persönlich vor sich stehen und kenne diese besser als sich selbst. Kollwitz' Worte sind von zeitlosem Wert und nicht nur aus diesem Grunde besonders wertvoll. Sie führen uns vor, dass auch sie Kämpfe auszustehen hatte, aber Hoffnung auch in Momenten der Not niemals vergebens ist.

Susann Fleischer
30.07.2012

 
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Das Buch:

Jutta Bohnke-Kollwitz (Hg.): Käthe Kollwitz: Die Tagebücher. 1908-1943

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München: btb Verlag 2012
960 S., € 14,99
ISBN: 978-3-442-74408-4

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