Briefliteratur & Tagebuch

Zwei Philosophen unter sich

Am 8. August 1736 schrieb Friedrich der Große erstmals dem französischen Dichter und Philosophen Voltaire, woraus sich ein reger Briefwechsel entwickelte, der erst mit Voltaires Tod im Jahre 1778 verstummten sollte. In über vier Jahrzehnten entstanden weit über 300 Briefe, von denen Hans Pleschinski 245 für "Voltaire - Friedrich der Große. Briefwechsel" ausgewählt hat, um an ihnen exemplarisch die Beziehung zweier Männer aufzuzeigen, die wie kaum jemand anderes das Denken der Menschen und das Bild ihres Landes prägten.

Die Korrespondenz dieser beiden großen "Fürsten" begann, als Friedrich der Große auf Schloss Rheinsberg residierte und sich auf die große Aufgabe vorbereitete, seinem Vater als preußischen König zu folgen. Dieser erste Brief zeugt von tiefem Respekt, die der knapp zwanzig Jahre jüngere Kronprinz dem Dichter-Philosophen entgegenbringt. Diese Ehrerbietung wird von Voltaire auf liebevoll-freundschaftliche Weise erwidert. Die Themen, die in den Briefen behandelt werden, sind ebenso vielfältig wie das Leben: Fragen über die Existenz eines Gottes sind ebenso von Belang wie eine rege Diskussion, ob Berliner Porzellan besser ist als chinesisches. In manchen Belangen sind sie gleicher Meinung - so ihr Einverständnis über die Freiheit des Geistes -, während andere Dinge kontrovers diskutiert werden. Selbst als es im Jahre 1753 zu einem Zerwürfnis beider kommt, kommt die Korrespondenz nie vollständig zum Erliegen. Vielmehr übersteht ihre einmalige "Freundschaft" selbst die stürmischsten Zeiten, von denen die Briefe ebenso erzählen wie von großen Vorhaben und kleinen, belanglosen Fragen des Lebens. Einer Brieffreundschaft von heute gar nicht so unähnlich.

Die Lektüre von "Voltaire - Friedrich der Große. Briefwechsel" hinterlässt beim Leser ein Gefühl von Ehrfurcht gegenüber zweier Menschen, die so einmalig waren wie ihre Gedanken und Ideen, mit denen sie eine Gesellschaft zu prägen wussten. Es ist beinahe, als sei man ein stiller Zeuge von Gesprächen, die zwischen privaten Belanglosigkeiten und weltverändernden Illusionen schwanken und den Rezipient mitten hineinreißen in ein längst vergangenes Zeitalter. Damit erscheint das vorliegende Buch als unterhaltsame Abendlektüre ähnlich interessant wie als historisches Dokument über das Europa und die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Hans Pleschinski ist es zu verdanken, das auch 230 Jahre nach dem letzten Brief die Stimmen Voltaires und Friedrich des Großen nicht verstummen und wieder in das Gedächtnis und damit in die Gegenwart des Lesers rücken. Historie ist nicht nur Geschichte, sondern zugleich große Unterhaltung.

Susann Fleischer
02.08.2010

 
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Das Buch:

Hans Pleschinski (Hg.): Voltaire - Friedrich der Große. Briefwechsel

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München: dtv 2010
656 S., € 14,90
ISBN: 978-3-423-13896-3

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