Briefliteratur & Tagebuch

Gegen den Zeitgeist

Dieses Buch ist in verschiedener Hinsicht ungewöhnlich, denn es enthält eine Sammlung von Briefen, geschrieben zwischen 27. September 2002 und 17. Juli 2003, gerichtet an den Leser. Diese sind unterschiedlich lang, die Spanne reicht von wenigen Zeilen bis über mehrere Seiten.

In diesen Briefen tauchen zwei Elemente immer wieder auf, die vor allem in dieser Kombination ebenfalls ungewöhnlich sind: Christliche Religion und Träume. Die Autorin ist eine zutiefst gläubige Frau - schon der Titel ist ja eine Anspielung auf ein biblisches Gleichnis -, die allerdings die Amtskirche, wie sie heute existiert, vehement ablehnt. Sie versucht ihren christlichen Glauben durch direktes Aufnehmen und Interpretieren der Bibel umzusetzen und nimmt dabei das geschriebene Wort wörtlich, vielleicht allzu wörtlich. Sie verkennt dabei nämlich, dass es sich bei der uns vorliegenden Bibel um eine Übersetzung der Übersetzung der Übersetzung handelt und dass es alleine durch das Vorliegen verschiedener Fassungen des gleichen Abschnitts zu verschiedenen Interpretationen kommen muss. Das aber lässt vielleicht gerade dem Leser die Möglichkeit zu eigenen Interpretationen, vor allem auch in Bezug auf die teilweise recht ausfhrlich geschilderten Träume, die in nahezu jedem der Briefe vorkommen und oft einen wesentlichen, zumindest aber wichtigen Teil darstellen. Denn auch diese werden zwar durchaus stimmig, aber eigentlich immer recht einseitig interpretiert. Meist wird eine Art göttliche Eingabe, ein Zeichen Gottes, aber auch eine Aufgabe darin gesehen. Dies ist eine Deutungsmöglichkeit unter anderen, die aber sicher noch andere Interpretationsmöglichkeit - selbst im vorgegebenen christlichen Rahmen - zulässt. Zumindest interessant ist auch die Verknüpfung von scheinbar zufälligen, gelesenen, gesehenen oder gehörten Begebenheiten mit Träumen und damit zu einer neuen, oft ungewöhnlichen Interpretation.

Dieses Buch ist nicht für x-beliebige Leser geschrieben, sondern für gläubige Christen (oder solche, die es werden wollen) und alle Leute, die im Zusammenhang mit christlicher Religion und ohne Amtskirche ihren Lebensweg gehen und vor allem selbstbewusst gestalten wollen. So sind die Briefe auch eine Lebenshilfe. Schade nur, dass sich häufiger Anspielungen auf andere Briefe finden, die vorher geschrieben wurden und die so nicht zugänglich sind.

-hah
03.01.2005

Anmerkung der Autorin

Bei der Durchsicht der Rezension meines Buches "Vom verdorbenen und vom guten Sauerteig" stelle ich fest, daß ich in zwei wesentlichen Aspekten nicht verstanden wurde.

Zum Hinweis, daß ich die Bibel "vielleicht allzu wörtlich" nehme, muß ich Folgendes sagen: Ich glaube, Gott schätzt bestimmte Teile der Schrift auf besondere Weise. Und andere Schriftaussagen sollen im Lauf unseres Lebens mit Fug und Recht relativiert werden. Die besonders geschätzten Teile, das sind die vier Evangelien, die Johannesoffenbarung und die prophetischen Texte im Alten Testament. Wenn sich da Übersetzungsfehler einschleichen, so glaube ich, daß Gott den Einzelnen so führt, daß - falls es wichtig für den Menschen ist - ihm die Ungereimtheit auffällt. Und ich sage weiter: Wenn wir erst dann die wahren Worte der Schrift ernst nehmen, nachdem beispielsweise Sprachwissenschaftler sich geeinigt haben, welche Übersetzung die beste ist, dann haben wir das Leben versäumt. Vgl. auch Matthäus 11,25.

Ich muß dem Rezensenten meines Buches zugute halten, daß er nicht wissen konnte, wie sehr es mich beschäftigt zu unterscheiden, was z.B. bei Paulus von Gott eingegeben ist und was von seinem Menschendenken - das auch zeitbedingt ist - gesteuert wird. Dieses wachsame und nüchterne Mühen um Unterscheidung gilt nicht nur für die Schrift, sondern auch für die Deutung von Träumen.

Zu Recht wird in der Rezension festgestellt, daß Träume einen wesentlichen Teil des Buches darstellen. Ich habe Träume in der Regel erst dann als Signal von Gott gedeutet, wenn sie zur Aussage der Schrift paßten und wenn reale Ereignisse eine Art zweiter Zeuge für diese Interpretationen waren. Es ist auch nicht so, daß ich jeden Zufall als Fügung von Gott hinstelle. Ich weiß sehr wohl, daß es triviale Zufälle geben kann; und auch, daß Gott dem Satan befristete Macht gibt, Zufälle zu steuern. Deswegen betone ich ja die von Jesus geforderte Nüchternheit und Wachsamkeit.

Gerade weil ich erlebte, Gott ließ mich nicht alleine beim mühevollen Erlernen des Unterscheidens, traue ich mir dann auch ein Urteil zu, wenn ich Grund genug für eine glaubende Deutung habe. Das Kernstück meines Buches soll nun mal mein Bekenntnis zum lebendigen Gott sein.

Frühere Briefe, auf die ich mich im Buch beziehe, und auch die späteren finden sich im Internet unter folgender Adresse: www.profetico.de 

Sieglinde Jehle

 
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Das Buch:

Sieglinde Jehle: Vom verdorbenen und vom guten Sauerteig. Zeitkritische Briefe

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Frankfurt am Main: Cornelia Goethe Literaturverlag 2003 257 S. ISBN: 3-8267-5424-7

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