Autobiographie

Ein Büchlein zum Nachdenken

Der Satz: "Es hat eine Hochzeit stattgefunden", hat den Autor Matthias Franz dazu veranlasst dieses Buch zu schreiben. Allerdings erst Jahre nachdem seine Mutter, die er nur M. nennt, ihn damit konfrontiert hat. Für seine Enkel hat Matthias Franz sein Leben in kurzen Erzählungen abgefasst. 28 Kapitel umfasst ein unspektakuläres und doch ereignisreiches Leben, in dem an Liebe und Harmonie Mangel hatte, indes aber Züchtigungen und Ungereimtheiten reichlich vorkamen.

Der Autor nennt die Personen, um die es in dem Buch geht nicht bei ihrem Vornamen sondern mit Namen, an denen sich der Leser orientieren kann, um nicht den Überblick zu verlieren. Lediglich eine Person bekommt gar keinen Namen und wird nur M. genannt, was vermuten lässt, dass es tiefere Gründe dafür gibt.

Franz verliert seinen Vater, als er ein halbes Jahr alt ist, an den Krieg. Er wächst bei seiner Mutter auf, die jedoch alles andere als herzlich und liebevoll ist. Seine Mutter ist schwer tablettensüchtig und stets darauf bedacht, nach außen hin die löbliche Familie abzugeben, den Schein zu wahren. Männer gehen zeitweilig bei ihr ein und aus und so heiratet sie gleich dreimal. Der Stiefvater ist nicht gebildet, hat keine Umgangsformen, geschweige Tischmanieren, und geht jedem an die Gurgel, der anderer Meinung ist als er. Überhaupt ist er jähzornig und ungehobelt. Franz hatte das Glück, dass er zu den Lebzeiten seiner Großmutter vor den Schlägen seines Stiefvaters gesichert war, weil diese ihm die Hölle auf Erden angedroht hat, würde er auch nur einmal die Hand gegen ihren Enkel erheben. Alles in allem verbrachte Matthias Franz eine unspektakuläre Kindheit, die jedoch für ihn persönlich keinesfalls unspektakulär war und ihn heute zu dem Buch veranlasste.

Am Beeindruckendsten ist die Persönlichkeit seiner Mutter, die fast ichgestörte Züge aufweist. Sie hat ihr Kind großgezogen, es versorgt, ihm ein sicheres Heim geboten und sich soweit bemüht, dass es nicht vernachlässigt oder verwahrlost war - ganz im Gegenteil. Und doch schenkte sie ihm keine Liebe und auch die Beziehungen zu ihren Männern waren nicht von Liebe geprägt. Am meisten schockiert einen die Tatsache, wozu die Mutter später fähig war. Hochachtung gebührt Matthias Franz dafür, dass er das so offen niedergeschrieben hat.

Matthias Franz schreibt nicht chronologisch. Er schreibt die Geschichten so, wie sie passierten und wie sie sich gerade ereigneten, dadurch fehlt es manchmal an Orientierung. Doch er schafft es mit nur ein paar Zeilen den Leser wieder zu orientieren, so dass er weiß, worum es gerade geht und wo er sich befindet. Dadurch, dass die Personen keine Vornamen bekommen, bleiben sie immer ein wenig anonym. Andererseits behält man als Leser sehr gut den Überblick und bringt die Personen nicht durcheinander. Und wenn man ein bestimmtes Kapitel gelesen hat, dann spürt man, dass hinter der Anonymität dieser Namen auch ein gewisser Schutz seiner Familie gegenüber gebührt, auch wenn diese zum größten Teil verstorben ist. "Es hat eine Hochzeit stattgefunden" ist ein Buch welches in seiner Kürze zum Nachdenken anregt.

Tanja Küsters
31.01.2011

 
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Das Buch:

Matthias Franz: Es hat eine Hochzeit stattgefunden

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Frankfurt am Main: Weimarer Schiller-Presse 2010
71 S., € 10,80
ISBN: 978-3-8372-0711-8

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