Autobiographie

Eine Liebe voller Widersprüche

"Auch ein Alkoholiker kann ein liebevoller Vater sein" sagt Åsa Linderborg. Und sie muss es wissen. In ihrem Buch "Ich gehöre keinem" beschreibt sie ihre Kindheit, die sie bei ihrem alkoholkranken Vater Leif verbringt. Die Mutter hat die beiden verlassen.

Es ist eine sehr liebevolle Beziehung, die die beiden führen: nicht ganz einfach, sehr unkonventionell. Am Ende des Buches wird Linderborg darüber sagen, sie habe eine "unkomplizierte Liebe und komplizierte Erfahrungen" erlebt.

Als Kind ist Linderborg oft hilflos, wenn sie ihren Vater betrunken erleben muss, wenn das Geld für das Essen alle ist. Das familiäre Umfeld - die Großeltern, die Tante - helfen dann im Haushalt oder mit Lebensmitteln aus, aber an der Situation können sie nichts ändern. Und somit ist die gut gemeinte und wohlwollende Hilfe keine wirkliche Stütze, die eine Änderung bewirken würde.

Später kippen die Gefühle: Irgendwann wird aus der bedingungslosen Liebe eines Kindes die Wut und Verzweiflung einer Pubertierenden, Linderborg fühlt Scham und leise Verachtung für ihren Vater. Das Vertraute zwischen ihnen verschwindet. Wenn sie es anfangs toll fand, dass sie vom Vater und seinen politischen Ansichten geprägt war, empfindet sie ihn später als politisch sehr passiven Menschen, der zwar sehr unkonventionelle Meinungen und Ansichten hat, diese aber nicht aktiv vertritt oder auslebt - im Gegensatz zur Mutter.

Die Mutter, die beide früh verlassen hat, wird nicht als "böse" oder verantwortungslos beschrieben - sie ist eben anders. So wenig wie Linderborg ihren Vater verurteilt, verurteilt sie ihre Mutter für ihr Tun. Sie hat Mitleid, wenn sie mit ansehen muss, dass der Vater von seiner eigenen Familie nie ernst genommen wird, wenn sie seine verzweifelten Bemühungen um ein "ordentliches Zuhause" beschreibt, wenn sie erkennt, wie verlassen und einsam Leif ist.

Später wandeln sich ihre Gefühle noch einmal. Mit etwas Abstand, eigenen Kindern, um einige Lebenserfahrungen reicher, sieht Linderborg ihren Vater viel weicher und nachdenklicher: "Verachtung und Verzweiflung, die ich als Jugendliche empfunden hatte, verwandelten sich in Gefühle von Zerrissenheit und Schuld." 

"Ich gehöre keinem" ist ein beeindruckendes Buch: ohne Verurteilung, ohne Schönfärberei, dafür mit viel Liebe und Verständnis geschrieben. Es ist gleichzeitig eine Anklage an Menschen, die zusehen, ohne wirklich zu helfen.

Kerstin Thierschmidt
25.01.2010

 
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Das Buch:

Åsa Linderborg: Ich gehöre keinem. Aus dem Schwedischen von Paul Berf

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München: btb Verlag 2009
288 Seiten, € 17,95
ISBN: 978-3-442-75233-1

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