Autobiographie

Aus dem Leben einer Radiolegende

Der älteren Generation dürfte der Name Chris Howland ein Begriff sein, denn insbesondere in den 1950er und 60er Jahren tat sich dieses Multitalent als Radio- und Fernsehmoderator, Schauspieler und sogar Schlagersänger hervor. Seine Karriere begann der gebürtige Engländer in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges beim Radiosender der Britischen Armee BFN. Ihm stand allerdings noch ein langer Weg bevor, bis er in Deutschland beinahe so bekannt wurde wie ein bunter Hund. In der Autobiographie "Yes, Sir! Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters" gewährt der Buchautor Chris Howland höchstpersönlich seinem Leser auf humoristisch und zugleich ernsthafte Weise einen detaillierten Einblick in sein bisheriges Leben.

Chris Howland hatte ehrgeizige Pläne, als er 1946 nach Hamburg kam: Er wollte in die Fußstapfen seines Vaters, eines bekannten Moderators bei BBC, treten und im Radio seine Moderationskünste vorführen. 1948 sollten sich seine Träume erfüllen, als er bei BFN anfangen durfte und schnell zum (heimlichen) Star avancierte. Innerhalb kürzester Zeit übernahm Howland die Position des Chefsprechers und Chefs der Musikabteilung von BFN und konnte sich so am Mikrofon ausprobieren. Bei seiner ersten Ansage sah es noch nicht so aus, dass er eines Tages einen Promistatus erreichen würde. Eigentlich sollte Howland nur einen Satz sprechen: "Die Zeit: Es ist vier Uhr." Doch stattdessen rutschte ihm ein "drei Uhr" heraus, was zuerst zu Entsetzen und anschließend Erheiterung im Regieraum führte. Auch später sollten peinliche Momente folgen, die Howland allerdings stets souverän meisterte.

Nachdem Howland erkannte, dass seine Zukunft bei den deutschen Radiosendern liegt, beschloss er 1952 beim NWDR - dem späteren WDR - vorzusprechen, wo er tatsächlich als Discjockey eingestellt wurde. Wegen seines englischen Akzentes und der Klangfarbe seiner Stimme gewann er bei den Zuhörern schnell an Beliebtheit, sodass er wenig später seine eigene Radiosendung "Spielereien mit Schallplatten" bekam. Nach einer mehrjährigen Schaffensphase kehrte er allerdings Deutschland den Rücken und ging in seine Heimat, um dort sein Glück zu versuchen. Die Ergebnisse waren erfolgsversprechend, doch bereits nach zwei Jahren knüpfte Howland wieder an sein altes Leben in Deutschland an, um dort "Musik aus Studio B" zu moderieren. In England kam ihm der Gedanke, dass die dortige Fernsehsendung "Candid Camera" ("Versteckte Kamera") in Deutschland sicherlich ein Erfolg werden würde. Die Idee für "Vorsicht Kamera!" war geboren. Zwischen diesen vielen Projekten strebte Howland zudem eine Karriere als Sänger an, die allerdings schnell wieder ins Stocken geriet, und als Schauspieler. Er wirkte in nahezu 30 Filmen mit, darunter in fünf Karl-May-Filmen und in zwei Filmen an der Seite der Komik-Legende Heinz Erhardt. Es sollten noch viele Projekte im Leben Howlands folgen, aber bekannt wurde er insbesondere durch "Spielereien mit Schallplatten", "Musik aus Studio B" und "Vorsicht Kamera!".

Es wird den Leser kaum verwundern, dass Chris Howland so einiges aus seinem Leben erzählen kann. Er hatte nicht nur das Glück, an zahlreichen Radio- und Filmprojekten Anteil zu haben, sondern durfte zudem bekannte Menschen treffen und diese von einer etwas anderen Seite kennenzulernen. Da liest man in "Yes, Sir!" interessante Details von Begegnungen mit Größen wie Zsa Zsa Gabor, Romy Schneider, Udo Jürgens, Rex Gildo, Shirley Bassey, Sonny und Cher und vielen, vielen anderen. Einen besonderen Stellenwert nimmt Heinz Erhardt in Howlands Leben ein, denn schließlich war er praktisch sein Ersatzvater. Und so erfährt man als Leser, was diese beiden Herren während einer gemeinsamen Tournee erlebten. Howland erzählt allerdings nicht nur amüsant-unterhaltende Anekdoten aus seinem beruflichen Alltag, sein Privatleben wird gleichfalls mehr als einmal erwähnt. So erfährt man beispielsweise, dass es im Deutschland der 1950er Jahre schwierig war, seinem Sohn den Namen Kim zu geben, denn schließlich stand dieser in keinem Namensbuch.

Howlands Autobiographie ist ähnlich geschrieben, wie man sich den Autor vorstellt: auf eine charmante, humoristische und äußerst liebenswerte Weise, die Lust auf mehr macht. Man schmunzelt als Leser an so vielen Stellen, wenn man feststellt, dass Howland auch nur ein Mensch ist, der Fehler macht. Da ist es überaus verständlich, dass Howland inzwischen auf WDR 4 wöchentlich die Sendung "Spielereien mit Schallplatten" moderiert, die man sich nach dem Lesen dieses Buches nicht entgehen lassen möchte. Und Howland kommt am Ende des Buches mit dem Versprechen daher, dass er womöglich noch ein zweites Buch schreiben möchte. Schließlich gibt es noch so viel zu erzählen.

Susann Fleischer
17.08.2009

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Chris Howland: Yes, Sir! Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters. Aus dem Englischen von Christoph Bausum

CMS_IMGTITLE[1]

Reinbek: Kindler Verlag 2009
320 S., € 16,90
ISBN: 978-3-463-40565-0

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.