Medien & Gesellschaft

Ein liberales und christliches Zukunftsrezept für Amerika

Die letzte verbliebene Weltmacht des Kalten Krieges ist in sich tief gespalten: die Vereinigten Staaten von Amerika sind vor dem Hintergrund der letzten beiden Pr?sidentschaftswahlen eigentlich ein geteiltes Land und unvers?hnlich durch einen tiefen Gesinnungsgraben getrennt in strikt demokratisch und republikanisch w?hlende Bundesstaaten. Diese Trennung ist weit mehr als nur eine politische und geht ?ber Parteigrenzen hinaus ? es ist sind fast schon zwei unterschiedliche Weltanschauungen, die liberale und konservative Protagonisten in den Parteien, Religionsgemeinschaften oder in den Medien ?u?ern und verbreiten.

F?r die gegenw?rtige Regierungspolitik von Pr?sident George W. Bush stehen die sogenannten Neokonservativen wie Paul Wolfowitz oder Richard Perle und ihre einflu?reichen "think tanks", deren au?enpolitische Maxime der Politik des Pr?ventivschlags f?r gro?en Wirbel gesorgt hat. Ein glaubw?rdiger Kritiker der Gegenseite ? der ehemalige US-Pr?sident von 1977 bis 1981 und Friedensnobelpreistr?ger Jimmy Carter ? baut mit seinem jetzt ins Deutsche ?bersetzten Bekenntnis zu einer ma?vollen, ?berlegten und bilateralen Politik eine Br?cke, in dem er ausgehend von seinen pers?nlichen Erfahrungen als weltoffener Baptist und ehemaligem Lenker der Supermacht f?r ein grundsolides Werteszenario pl?diert. Diese positiven Werte sieht Carter durch den zunehmenden Fundamentalismus der protestantischen Religionsgemeinschaften und ihrem Einflu? auf die Regierungspolitik gef?hrdet.

Ist Christsein mit modernen, liberalen Ideen ?berhaupt vereinbar ?

Der demokratische Ex-Pr?sident beschreibt die wachsende Kluft zwischen den beiden gro?en Parteien und der immer schwieriger werdenden politischen Entscheidungsprozesse. Weiter mahnt Carter die Vernachl?ssigung so wichtiger Bereiche wie der Bildungspolitik und des Umweltschutzes als grundlegende Verpflichtung des christlichen Glaubens an. Auch da ist der Autor mit seiner Kritik glaubw?rdig, da er in seiner Pr?sidentschaft gerade diese im Inland wenig popul?ren Themen programmatisch und exekutiv f?rderte. Gottesglaube ist f?r ihn kein Widerspruch in einer liberalen Weltanschauung, in der das Recht auf Abtreibung besteht oder homosexuelle Partnerschaften akzeptiert werden k?nnen.

Jimmy Carter ist aus verschiedenen Gr?nden f?r die Rolle einer kritischen Stimme in Amerikas Krisenzeiten pr?destiniert: In seiner Person vereinigen sich die Erfahrungen eines Staatsmannes, der in der Hochphase des Kalten Krieges amtierte sowie die des praktizierenden Christen, f?r den Bibeltexte keine blo?en Worth?lsen sind. Sie sind f?r den Autor Anla? zur praktizierten christlichen N?chstenliebe, wie man aus einigen lesenswerten biographischen Notizen dieser Gegenwartsanalyse erf?hrt. Vor dem Hintergrund einer nahenden Klimakatastrophe legt der studierte Physiker Carter einen sinnvollen Schwerpunkt auf strategische Ans?tze zur Bewahrung der Umwelt ? oder der Sch?pfung im christlichen Verst?ndnis.

Kompetente Regierungskritik zum richtigen Zeitpunkt

Trotz der Tatsache, da? Jimmy Carter ein tiefreligi?ser Mensch ist, ist die Maxime der strikten Trennung von Staat und Religion ein wichtiger Eckpfeiler seines Wertefundaments. ?berzeugend legt er hier den Finger in eine Wunde: die Exekutivpolitik der rechts-konservativen Regierung mit ihren ?Einfl?sterern? im Hintergrund, die nur allzu gerne tagespolitische Diskussionen mit pseudo-religi?sen Ideen aufheizen. Carter wird im Gegensatz zu manchen populistischen Systemkritikern Amerikas nie polemisch oder unsachlich ? seine Kritik an den Grundrechte oder Menschenrechte mi?achtenden Ma?nahmen des "Patriot Acts" wird mit Beispielen und Fakten belegt. Weiter wird die zunehmende Verflechtung des Wirtschaftslobbyismus im politischen Alltagsgesch?ft mit fundierten Argumenten thematisiert, wie Negativbeispiele aus der ?l-, Tabak- oder R?stungsindustrie zeigen.

Ein Politiker im Tagesgesch?ft w?rde Jimmy Carter vielleicht an manchen Stellen ?bertriebenen Idealismus vorwerfen, der in der von Zugest?ndnissen und Kompromissen gepr?gten Regierungspolitik so ?berhaupt nicht durchzusetzen sei. Trotzdem w?re es zu w?nschen, wenn die Wertevorstellungen des S?dstaatlers wieder mehr Beachtung in der politischen Tagesordnung der USA finden w?rden. Sein Wertekanon mag zwar idealistisch sein, ist aber dennoch alltagstauglich. Gl?cklicherweise vermeidet Jimmy Carter den Fehler, in die Rolle des Moralapostels mit dem belehrenden Zeigefinger zu wechseln. Es ist zu hoffen, da? es der "elder statesman" mit diesem interessanten Buch schafft, wieder mehr Geh?r bei den politisch Handelnden zu finden und zur Auss?hnung im eigenen Land beizutragen.

Hagen Stoll
02.02.2007

 
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Das Buch:

Jimmy Carter: Unsere gefährdeten Werte

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München: Pendo-Verlag 2006
194 S., € 17,90
ISBN: 3-86612-104-0

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