Medien & Gesellschaft

Seelenzustände

"Quellen der Kraft" - so ist das Buch von Renate Dalaun ?berschrieben. Vieles hat darin Platz. Im Untertitel wird eingegrenzt: "Aufr?sten im Ruhestand". Aber damit ist noch nicht vollends Klarheit geschaffen, und die Leserinnen und Leser tun gut daran, die Frage nach der Sto?richtung und damit nach dem Sinn des Buches als Daueraufgabe mit auf die Lesereise zu nehmen. Das war noch nie ein falscher Ansatz, wenn man ein komplex angelegtes Buch richtig begreifen m?chte.

Vielleicht liegt der Begriff "Seelenzust?nde" dem Vorhaben dieses Buches am n?chsten, denn es geht letztlich um das Selbstverst?ndnis in einer Welt, die au?er Zukunftsproblemen und Gegenwartssorgen auch eine vergangene B?rde mitschleppt. Wie bereits in ihrem lyrischen Werk "Poetisches Gartengefl?ster" zuvor geht es nur vordergr?ndig um Handlungsstr?nge oder Sachverhalte. Es geht ihr in "Quellen der Kraft" um das, was das Wesen eines Menschen ausmacht, um die wechselnden Zust?nde da drinnen und die Beweggr?nde dahinter.

Es agieren in diesem h?chst interessanten Buch eine Ich-Figur und mehrere dritte Personen, unter ihnen Friedrich. Der Leser ist aufgerufen zu sp?ren, was in Friedrich vorgeht, wenn er ins Vergangene f?hrt. Die Figuren sind auf dauernder Suche und der Leser folgt ihnen dabei. Das klingt einfach, ist es aber nicht, denn eine innere Wegsuche verl?uft nicht am Schn?rchen, eine derartige Suche ist keineswegs linear und auch kaum mit dem Zeichenstift darzustellen.

Dass der Leser dabei nicht verloren geht, mag in erster Linie an der Sprache liegen. Man trifft auf eine dichte, nahe und sehr pers?nliche Sprache, die sich nicht auf das Beschreiben beschr?nkt. Obwohl Renate Dalaun auch einzelne Apfelsorten h?chst detailtreu beschreiben kann, sitzt der Reiz ihrer Sprache im Erleben. Die Autorin bleibt eine gute Beobachterin der Landschaft, der ?u?eren wie der inneren.

Der Leser bewegt sich auf deutschem Boden und verl?sst ihn selten, f?r einen Abstecher in die nordafrikanische W?ste etwa. Dort stie? Friedrich in einem Archiv auf Tagebuchbl?tter seines Gro?vaters. Das J?dische scheint auf. W?hrend der Gro?vater im KZ Lublin, das t?uschend als harmloses Internierungslager erschien, den Gastod erlitt - "der Tod ist ein Meister aus Deutschland" -, wurde Friedrich vom Schicksal ausgespart und gerettet.

"Ein gl?ubiger Mensch war Friedrich nicht", schreibt die Autorin. An einer Stelle nennt sie ihn den "Einsamen", den "Verirrten", den "in die Leere Abgest?rzten". F?r das Einsamsein liefert sie auch gleich die Gegenposition: "Wer glaubt, ist nie allein." Das k?nnte die Aussage eines KZ-H?ftlings gewesen sein. Vielleicht hatte Friedrich zu viel "Unglaubliches" erfahren m?ssen.

"Gott sollte Abnormales normalisieren, Ausweglosem neue Wege bieten, Ungleichgewichte ausbalancieren." Das t?nt vers?hnlich harmonisierend. Aber da gibt es noch die andere Seite: "Alles Lebende ist unfertig." Da ragen Ecken in die H?he, da gibt es eben auch Probleme - und das Buch ist voll davon. Dieses handelt ja auch von ungel?sten Problemen der Gegenwart, von den Gefahren des Terrorismus und jenen der Klimakatastrophe beispielsweise.

Zu all dem noch die alten Lasten. Aber: "Nicht die Befreiung vom Vergangenen kann Ziel des Rentenalters sein", h?lt die Autorin fest. "Warum sollte Gegenwart Vergangenes l?schen, als w?re sie nicht erinnerungsw?rdig?" Man darf ob Friedrichs qu?lender R?ckblende nicht ?bersehen, dass das Buch in seinem Grundzug nach vorne weist.

Ronald Roggen
16.01.2012

 
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Das Buch:

Renate Dalaun: Quellen der Kraft. Aufrüsten im Ruhestand

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Frankfurt am Main: public book media Verlag 2011
197 S., € 17,80
ISBN: 978-3-86369-019-9

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