Medien & Gesellschaft

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus ...

Paul van Buitenem war Beamter der EU in Brüssel und Luxemburg und der wahrscheinlich bekannteste "Whistleblower". Diese Whistleblower sind Mitarbeiter, die auf Missstände hinweisen, sie aufzudecken versuchen und gleichzeitig Interessengruppen (Stakeholder) informieren, die danach handeln sollen. Paul van Buitenen hat diese Aufgabe sehr ernst genommen und 1999 maßgeblich zum Rücktritt der damaligen EU-Kommission beigetragen, weil er Vetternwirtschaft und Missbrauch von EU-Geldern in größerem Ausmaß nachweisen konnte. Er musste jedoch damals bereits die Erfahrung machen, dass beim Anzeigen eines Missstandes erst einmal derjenige gemobbt und gemaßregelt wird, der diesen angezeigt hat, bevor man – vielleicht – den eigentlichen Übeltäter bestraft. So ist es nicht verwunderlich, dass sich van Buitenen eigentlich nur noch um seine eigenen Angelegenheiten kümmern wollte.

Man ließ ihn aber nicht. Weiterhin wurden ihm Unregelmäßigkeiten zugetragen, und die neu gegründete Betrugsbehörde OLAF arbeitet offensichtlich bis heute nicht sonderlich effektiv. Besonders die Kommissare Neil Kinnock aus England und Michaele Schreyer aus Deutschland. Ihnen wirft van Buitenen – und er belegt dies vielfach – vor, die Arbeit der Whistleblower erschwert zu haben und vielmehr darum bemüht waren, durch neue Bürokratie und Mobbing diese Leute zum Schweigen zu bringen, statt die Missstände zu verfolgen und aufzuklären.

Van Buitenen konnte deswegen dieses Buch nur schreiben, weil er 2004 – wie wir inzwischen wissen, erfolgreich – für das Europaparlament kandidierte; den weiteren Listenplatz seiner Partei errang die von Michaele Schreyer kaltgestellte Marta Andreasen, die sich zu kritisch über die gigantische Verschwendung und mangelhafte Kontrolle von EU-Mitteln geäußert hatte. 

Die deutsche Kommissarin Michaele Schreyer kommt in diesem Buch sehr schlecht weg. Ihr wird Inkompetenz und das Vermeiden jeglichen Konflikts, auch wenn die Missstände offen liegen, vorgeworfen, und je mehr man liest, desto eher kommt man zum Eindruck, dass van Buitenen recht hat.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen. Das hat zwei Gründe: Zum ersten durfte van Buitenen dieses Buch nur schreiben, weil er für das EU-Parlament kandidierte und selbst jetzt nur einen Teil der Informationen veröffentlichen darf, die ihm vorliegen; das hat den Grund, dass er als Beamter zum Schweigen verpflichtet ist, wie schlimm auch der Fall ist. Zum zweiten setzt er in diesem Buch beim Leser eine sehr gute Kenntnis der Vorgänge vor 1999 und ein Studium seines ersten Buches voraus. So ist vor allem am Anfang etwas mühsam, später gelingt es dem Leser immer besser, die Anspielungen und Hinweise, die auch oft durch Quellen untermauert sind, zu verstehen.

Es bleibt zu wünschen, dass es dem Autor gelingen wird, nun als EU-Parlamentarier die kritischen Fragen zu stellen, die er als Beamter nicht offen äußern durfte. Mehr Transparenz und weniger Korruption und Vetternwirtschaft scheinen, glaubt man van Buitenen, die einzige Möglichkeit zu sein, die EU vor einem gigantischen Scheitern zu bewahren.

hah
12.11.2004

 
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Das Buch:

Paul van Buitenen: Korruptionskrieg in Brüssel. Kampf um mehr Transparenz für Europa

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Basel: Brunnen-Verlag 2004
264 S., € 16,95
ISBN: 3-7655-1877-8

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