Medien & Gesellschaft

Von König Artus Hof bis nach Oz

Einen Atlas der unkonventionellen Art h?lt der Leser mit dem vorliegenden Buch in den H?nden, n?mlich einen "Atlas der fiktiven Orte". Dieser Atlas kennt nicht Europa, Asien, Afrika oder Amerika, sondern liefert Karten zu 30 Orten bzw. Gegenden der Fantasie, die zumeist aus ber?hmten literarischen Vorlagen entstammen. Dem Autor, Prof. Dr. Werner Nell, ist mit seinem "Atlas der fiktiven Orte" eine sehr spezielle Zusammenstellung von Orten gelungen, die jeder Leser in seiner Fantasie bereits schon einmal mehr oder weniger intensiv bereist hat. 

Die Quellen f?r die wunderbar durch Steffen Hendel illustrierten Karten sind ganz unterschiedlicher Art: Neben philosophischen Pl?tzen wie Thomas Morus? "Utopia" oder dem "Zauberberg" aus dem gleichnamigen Roman des deutschen Literaturnobelpreistr?ger Thomas Mann finden sich zahlreiche Orte aus dem Fantasy-Bereich wieder, insbesondere scheint Nell von J.R.R. Tolkien angetan zu sein, widmet er dem britischen Schriftsteller gar drei Kapitel: "Auenland", das Reich der Hobbits, sowie "Gondor" und "Mittelerde" aus der weltber?hmten Trilogie "Der Herr der Ringe". 

Doch will der "Atlas der fiktiven Orte" kein hochtrabendes Werk ausschlie?lich f?r besondere literarische Flecken sein. Mit "Entenhausen", der Heimat von Walt Disneys Familie Duck, der Insel "Lummerland" von Jim Knopf und dem Lokomotivf?hrer Lukas sowie "Springfield", der Stadt, in der die Zeichentrickserie "Die Simpsons" spielt, sorgt Nell f?r einige ?berraschende Momente, die man aufgrund seiner Professur f?r Literaturwissenschaften nicht unbedingt erwartet h?tte, aber das vorliegende Buch ungleich am?santer machen. 

Jedem der drei?ig Kapitel werden durchweg f?nf Seiten einger?umt, wobei die jeweilige Karte das Herzst?ck bildet und essentiell f?r ein Buch ist, das sich Atlas nennt. Diese Karte ist je nach Lokation mal mit vielen Details und Informationen versehen, mal auf einer sehr abstrakten Ebene gehalten. W?hrend die Welten Tolkiens aufgrund ihrer liebevollen Konstruktion und der detaillierten inhaltlichen Beschreibungen leicht nachzuzeichnen sind, wird dagegen die Eiswelt Niflheim nur sehr rudiment?r, beinahe schon auf einer Meta-Ebene zu Papier gebracht. 

Dar?ber hinaus w?hlt der Autor einen sehr interessanten, denn gleichmachenden Ansatz trotz der vielf?ltigen und h?chst unterschiedlichen Orte. Eingangs eines jeden Kapitels w?hlt er das gleiche Raster zur kurzen Beschreibung und Einordnung des jeweiligen Ortes. Nell f?llt f?r jeden Ort die Kategorien "Land/Ort", "Lage", "Gr??e", "Bev?lkerung", "Wichtigster Ort", "Weitere Orte" und "Sehensw?rdigkeiten" aus. Dies f?hrt mitunter zu einigen Schmunzelerlebnissen, wie z. B. bei der Insel Lummerland, deren Gr??e auf "zweimal so gro? wie unsere Wohnung" gesch?tzt wird. Oder wer k?me schon auf den Gedanken, dass eine der Sehensw?rdigkeiten des "Olymp" die Aussicht auf die Erde sei? 

Werner Nell hat sehr intensive Quellenarbeit geleistet, denn konsequent f?hrt er die Geschichte des dem jeweiligen Ort zugrundeliegenden Werks nebst Autor auf und verweist auf weitere Vorkommen des Ortes, etwa in sp?teren Werken anderer Autoren. Peter Pans Insel Nimmerland etwa hat seinen Ursprung in den Kindergeschichten James Matthew Barries, aber in vielen weiteren Werken wird auf sie zur?ckgegriffen. Letztlich hat sogar der verstorbene "King of Pop" Michael Jackson sein Anwesen "Neverland" danach benannt. 

Die Idee, zu einer Fantasiewelt eine Karte zu entwerfen, ist nicht neu, denn garantiert hat ein jeder Leser dies f?r sich zumindest schon einmal im Kopf getan, vor allem bei der Lekt?re von B?chern, die eine gewisse Dramatik aus der geographischen Lage der Handlung beziehen. Doch so konsequent wie Werner Nell dies in seinem "Atlas der fiktiven Orte" durchgef?hrt hat, ist es neu und einzigartig. Beim Studium des vorliegenden Buches wird man so auf viele Stellen sto?en, die die Liebe zu den Details der Fantasiewelten erkennen lassen. Dass man dabei ein wunderbar aufgemachtes Buch mit einem kunstvoll gestalteten ?u?eren in H?nden h?lt, macht das Verweilen darin noch viel angenehmer. 

Christoph Mahnel 
31.10.2011

 
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Das Buch:

Werner Nell: Atlas der fiktiven Orte - Utopia, Camelot und Mittelerde. Eine Entdeckungsreise zu erfundenen Schauplätzen. Mit Illustrationen von Steffen Hendel

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Mannheim: Bibliographisches Institut 2011
160 S., € 29,95
ISBN: 978-3-411-08387-9

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