Medien & Gesellschaft

Ja zum Ich des Du

oder Wenn du denkst, du denkst ...

Mit Andreas Horst Pohls Buch liegt uns eine ungew?hnliche Kombination vor aus anthroposophisch gepr?gter individualphilosophischer Abhandlung und privatem Brief, der an ein befreundetes Ehepaar gerichtet ist. Dabei verhindert die pers?nliche Note - mitten im Text taucht immer wieder die Anrede ?lieber Thomas? oder ?liebe Sophie? auf - ein Abheben in allzu geistige H?hen. Der Autor legt den Freunden seine Gedanken ausf?hrlich und engagiert dar, dass gar ein Buch daraus wurde. Die ?kleine Welt? von Thomas und Sophie wird zum Spiegelbild Pohl?scher Weltenfahrt.Wie tief muss man gehen, um dem Geheimnis offener, entspannter und aggressionsfreier Begegnungsf?higkeit auf die Spur zu kommen? Liegt das Unverm?gen im menschlichen Miteinander, das in Streit, Aggression und letztlich Krieg m?ndet, an der Inkompetenz im kleinstm?glichen Sozialfeld, der Begegnung zweier Menschen?Einen ?Beitrag zur Friedensforschung? nennt der Autor sein Buch im Untertitel. Er fokussiert ein Thema, das eigentlich als weitgehend abgearbeitet gilt, um dem ?Blick von oben?, auf den Menschen in seinem Umfeld und der damit verbundenen Identit?t, Platz zu machen. Pohl indes geht noch einmal einen Schritt zur?ck, fordert die selbst gesteuerte Losl?sung von allem Kulturwissen und die bedingungslose Akzeptanz der Individualit?t eines jeden Menschen f?r ein vorurteilsfreies Aufeinanderzugehen ? Pohl nennt es ?Ja zum Ich des Du des begegnenden Anderen?. Erst dann k?nne ein ?Wesenstausch? der Individualit?ten stattfinden: die unbegrenzte gegenseitige Verst?ndigung durch wahre Liebe, die alle Aggression abzuschmettern vermag.

Sind wir da nicht bei biblischen Themen? N?chstenliebe, Agape und so? Der Autor selbst verweist auf die Menschwerdung Christi an Weihnachten, worin er einen Wesenstausch Gottes mit den Menschen sieht. Auch die Ehe ? eines der Sakramente ? erkennt Pohl als Instanz an, in der ein Wesenstausch funktionieren kann. Dennoch bewegt er sich, das wird schnell klar, nicht im kirchlichen Milieu, und sei es noch so weit gespannt. Denn Pohl, der Anthroposoph, sieht eigentlich nicht prim?r g?ttliches Wirken oder gar Eingreifen, sondern postuliert die Eigenverantwortung jedes Menschen: Aus sich selbst heraus, aus eigenem freien Willen m?ge jeder f?r sich den Weg einschlagen, den er kraft seiner selbstst?ndigen, soll hei?en selbst gelenkten Gedanken als richtig erkannt hat. Mithilfe dieses autonomen Denkens (Pohl nennt es den ?Denkblick?) und infolge der daraus resultierenden Akzeptanz des begegnenden anderen k?nne schlie?lich ein durch tiefe Liebe gepr?gtes intensives, ja geradezu arkadisches Miteinander entstehen, worauf jede Ehe gebaut sein sollte: Ehe soll sein, ?ehe? anderes, St?rendes, dazwischenkommt. Hier werden die Gedanken Pohls, sich an Thomas und Sophie richtend, zum anthroposophischen Ehecoaching, das eine Gratwanderung wagt aus Pers?nlichkeit st?rkender Individualit?tswahrnehmung und ? nun denn doch ? christlich verbr?mter N?chstenliebe.

Andreas Horst Pohl bedient sich einer ganz eigenwilligen, wenn auch in anthroposophischen Kreisen wohl ?blichen Sprache mit geradezu mystisch anmutenden Wortsch?pfungen, die zwar reichlich Assoziationsspielraum bieten, dennoch ?Unw?rter? sind. Warum er z. B. das Wort ?Unterschuss? (als Pendant zum ?berschuss) anwendet und nicht den klar und allgemein verst?ndlichen Begriff ?Mangel?, verschwimmt im Dunkel seiner oft umst?ndlichen Ausdrucksweise und hinterl?sst bestenfalls den Eindruck eines ?Hinguckers? im Gewimmel kryptischer Zeichen. Dabei gehen interessante Aspekte wie die Aktualisierung Hegels einfach in S?tzen wie folgendem unter: ?... das gewaltige, gro?artige Denken Hegels kann ein jeder Denkende aus der Form des Gedachten in die Form des aktuellen Denkens durch seine Denkakte denken ...? (S. 94) ? Muss das sein? Bei geh?uften, oft redundanten S?tzen wie diesem hilft nur noch Diagonallesen bis zum n?chsten ?Hingucker?! Nicht nur Leser, denen Denkweise und Jargon der Anthroposophie fremd sind, k?nnen sich ? angefangen beim Titel ? allenfalls stolpernd durch das Buch arbeiten, vielleicht angetrieben von dem zu erkennenden und Respekt zu zollenden Willen des Autors, Gedankenanst??e f?r ein friedliches Miteinander im Kleinen zu leisten, wozu er den Menschen im Unterschied zu k?hl-wissenschaftlich-soziologischen Geistern durchaus imstande sieht.

dgk
23.07.2003

 
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Das Buch:

Andreas Horst Pohl: Begegnung Ja zum Menschen: 1.) Brief an Thomas und Sophie: die Hochzeit, die Weihnacht, die Ehe, der freie Wille, 2.) Zur Kunst des Begegnens

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Groß-Umstadt: Apohl Verlag 2002
151 S.
ISBN: 3-933338-33-6

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