Medien & Gesellschaft

Auf der Suche nach dem Heiligen Gral

Was w?re, wenn man 30 oder 40 Jahre l?nger leben k?nnte, als es in den hiesigen Breiten f?r gew?hnlich ?blich ist? Wie w?rde man sein Leben gestalten, wenn man w?sste, dass einem viel mehr Zeit auf diesem Planeten zur Verf?gung steht als allen anderen Menschen? Was nach dem Ansatz eines Science-Fiction Romans klingt, hat f?r die Menschen in einem abgelegenen Tal in der ecuadorianischen Provinz durchaus seine Berechtigung. Dort liegt das sogenannte "Tal der Hundertj?hrigen". Findet man dort etwa tats?chlich den ewigen Jungbrunnen oder den Heiligen Gral, der seit Jahrtausenden die Phantasie der Menschen befl?gelt? 

Vilcabamba hei?t dieser Ort der Sehnsucht. Bei seinen knapp 4500 Einwohnern findet man eine Altersstruktur vor, die sich in keinster Weise mit denen der restlichen Welt in Einklang bringen l?sst. In Vilcabamba findet man verh?ltnism??ig die meisten "Zentenare" auf der ganzen Welt, gut ein Prozent der Bev?lkerung hat bereits seinen 100. Geburtstag erfolgreich hinter sich gebracht - die g?ngige Quote diesbez?glich liegt f?r den Rest der Welt eher im Promillebereich! Doch weit gefehlt, wenn man hier ein riesiges Seniorenheim erwartet. Die Zentenare erfreuen sich bester Gesundheit und gehen noch t?glich ihrer gr??tenteils k?rperlichen Arbeit nach. Wer in seiner Vorstellung eine Gemeinschaft strenger Gesundheitsapostel in Vilcabamba vor Augen hat, wird dort nur ein m?des L?cheln ernten. Die Herren und Damen haben auch in hohem Alter noch ein aktives Sexualleben, feiern die Feste, wie sie fallen, und genehmigen sich in sch?ner Regelm??igkeit ihre lokalen Spirituosen und Zigarren. Ricardo Colers Interesse war auf jeden Fall geweckt, um sich auf die Spurensuche nach den Gr?nden f?r die Langlebigkeit in Vilcabamba zu begeben. 

Coler, ein studierter Mediziner und erfolgreicher argentinischer Journalist, hat im vorliegenden Buch seine Reiseerlebnisse verarbeitet und dokumentiert. Er hat die Alten und die Jungen in Vilcabamba besucht und ein faszinierendes Bild gezeichnet, in dem Alter und Tod einen g?nzlich anderen Umgang finden als in unserer westlichen Zivilisation. Besonders deutlich macht Coler dies durch die Einflechtung seiner ganz pers?nlichen Geschichte, die das Leiden seiner schwerkranken Eltern zur Zeit seiner Reise nach Vilcabamba beinhaltet. Durch den Wechsel zwischen den beiden Ebenen werden dem Leser die Augen ge?ffnet, welch kontr?re Herangehensweisen an das bevorstehende Ende auf Erden es gibt. 

Coler versucht, die verschiedensten wissenschaftlichen Theorien der Langlebigkeit der Einwohner von Vilcabamba vor Ort zu verifizieren. Doch kommt er zu keinem finalen Ergebnis, und es bleibt weiterhin offen, ob das gleichm??ige ganzj?hrige und moderate Klima mit Temperaturen zwischen 18 und 28 Grad Celsius oder die negative Ionenladung der Luft oder der optimale Mineralgehalt des Wassers Sorge f?r das Wohl der Menschen im Tal der Hundertj?hrigen tragen. Neben einigen philosophischen Exkursen ?ber Alter und Tod hat das vorliegende Buch seine St?rke nat?rlich in den anekdoten-?hnlich aufgebauten Kapiteln, in denen Coler den Hauptdarstellern - den Alten - begegnet. Sehr positiv anzumerken ist, dass die Geschichten von Timoteo, Hermina und allen anderen durch eine Fotoreihe in der Mitte des Buches reichhaltig bebildert werden. 

Coler tr?gt dar?ber hinaus aber auch Sorge daf?r, seinen Lesern die negativen Auswirkungen der Langlebigkeit Vilcabambas zu pr?sentieren. Nachdem erstmals Readers Digest anno 1955 und sp?ter auch National Geographic und andere Magazine und Zeitschriften ?ber das Tal der Hundertj?hrigen berichtet hatten, ist ein wahrer Rausch entstanden, der verm?gende Menschen aus allen Teilen der Erde nach Vilcabamba gesp?lt hat. Ein v?llig ?bertriebener Tourismus und astronomische Grundst?ckspreise waren nur einige der negativen Folgen des ?ffentlichen Bekanntwerdens. Auch wenn Coler sicherlich noch mehr als 171 in Gro?schrift bedruckte Seiten zu erz?hlen gehabt h?tte, vermittelt er dem Leser mit seinem Buch ein sehr pers?nliches, aber dennoch rundes Bild von einem ganz besonderen Flecken Erde. 

Christoph Mahnel 
24.08.2010

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Ricardo Coler: Das Tal der Hundertjährigen. Eine Reise zum Ort der ewigen Jugend. Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg

CMS_IMGTITLE[1]

Berlin: Rütten & Loening Verlag 2010
192 S., € 17,95
ISBN: 978-3-352-00791-0

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.