Medien & Gesellschaft

Schlimme Schicksale

1990. Im März. In Leipzig. Vorausschauend äußert sich ein Kritiker über die kommende Verödung der Verlagslandschaft in dem Land, dass noch DDR hieß. Empört wies ein prominenter DDR-Schriftsteller die Prognose als pure Schwarzmalerei zurück. Es kam, wie es nicht kommen sollte. Wie es so 1955 in Österreich gekommen war, nach dem Staatsvertrag, als der bundesdeutsche Buchmarkt ungehemmt in das Alpenland schwappte. Die Österreichisierung der DDR war abge-schlossen, bevor der Beitritt - auch - zum west-deutschen Buchmarkt vollzogen wurde.

Nach den Büchern ging es mit den Buchproduzenten bergab. Verlag für Verlag verschwand unter dem Mantel von Verwandten. Wurde verhökert. Wurde vernichtet. Und, nach dem Tode des ersten Treuhandchefs, Rohwedder, verkauft, verkauft und verkauft. In der Folge war das eine Pleite für die gesamte Polygraphie im ostdeutschen Raum. Für Christoph Links ein ausreichender Grund heute das Fazit zu ziehen: "Das Zusammengehen beider deutscher Nachkriegsstaaten kann im politischen Bereich als weitgehend geglückt gelten, auf wirtschaftlichem Gebiet ist es missraten. Die Verlagsgeschichte steht dafür geradezu symptomatisch." Christoph Links ist der Sohn eines Verlegers. Seit 1989 ist der 1954 geborene Links Chef des von ihm gegründeten Ch. Links Verlages. Wer wäre prädestinierter "Das Schicksal der DDR-Verlage" aufzuschreiben?

Wen jedoch interessiert Derartiges jetzt noch? Wer ist jetzt noch zu interessieren? Die Publikation ist sowohl die späte Promotion des Verfassers, wie auch ein verspätetes Buch zu den Büchermachern in der DDR, die sich rühmte, ein Leseland zu sein. Christoph Links Buch füllt eine Lücke in der Linie der Informationen über die DDR-Buch-Produktion. Der späte Lückenschluss hat den Vorteil, dass so eine vollständige Chronik des quälerischen Vergehens der Ost-Verlage vorhanden ist. Somit ist die Publikation ein ergiebiges Dokument zur deutschen Verlagsgeschichte. Und das macht die Substanz der Veröffentlichung aus. Sie reicht aus, den Band fortan als Nachschlagewerk zu handhaben. Die Substanz reicht aus, die Publikation in der Internet-Präsentation zu einer progressiven Veröffentlichung zu machen, die komplettiert und aktualisiert werden kann.

Keine Frage mehr, für wen das Sachbuch da ist. Wie es ist, ist es ein lesbares Buch. In ihrer Sachlichkeit, Nüchternheit und Sprache keine der Promotionsschriften, die für Außenstehende schwer zugänglich sind. Links hat mit seiner Darstellung nicht nur die eigene Branche im Blick. So unterschiedlich die Verlags-Porträts in der Ausführung auch sind, es lässt sich an keinem, wie in einer Galerie, achtlos vorübergehen. Die Arbeit ist kein abweisendes wissenschaftlich-analytisches Werk. Der allgemeine Informationsgehalt ist ein Wert, der für Jedermann da ist. Zumindest für alle, die auf irgendeine Art mit der Verlagsbranche zu tun haben. Sind das nicht alle, die in ihren vier Wänden Büchern mehr Platz einräumen als Leitz-Ordnern?

Der Band macht neugierig. Unkompliziert kann nachgeschlagen werden, um herauszubekommen, was aus denen geworden ist, die Bücher in die Regale stellten, die sich als Literatur in der Welt nicht erst beweisen mussten. Weltliteratur also, die nicht für die Makulatur produziert wurde. Christoph Links "Das Schicksal der DDR-Verlage" beschäftigt sich mit Vergangenem, das Unverlierbares in ost- und westdeutsche Haushalte brachte, die sich Bücher im Haus halten.

Bernd Heimberger
23.03.2009

 
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Das Buch:

Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen

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Berlin: Ch. Links Verlag 2009
352 S., € 24,90
ISBN: 978-3-861-53523-2

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