Biographie

Vom Vater des deutschen Fußball-Wunders 2.0

Vorbei ist die Zeit des Rumpelfu?balls, der Gurkenspiele und der m?hsam und gl?cklich zustande gekommenen 2:1-Siege gegen spielerisch bessere Mannschaften. Sp?testens seit der vergangenen WM in S?dafrika staunt die Fu?ball-Welt ?ber das spielerische Selbstverst?ndnis der deutschen Fu?ball-Nationalmannschaft und die Abkehr vom ergebnisorientierten Grottenkick. Diese Wandlung hat nach landl?ufiger Meinung einen einzigen Namen, und der lautet Joachim, genannt "Jogi", L?w.

Dabei liest sich die Vita des 1960 im beschaulichen Sch?nau im Schwarzwald geborenen Sohns eines Ofensetzers doch eher bescheiden und wenig deutet oberfl?chlich darauf hin, dass Fu?ball-Deutschland diese durch Joachim L?w verantwortete Metamorphose durchlaufen w?rde. In den Medien des Boulevards halten daf?r stets die gleichen Geschichten als Erkl?rungsversuche her. Da wird gerne J?rgen Klinsmann zitiert, wie beeindruckt er doch war, als ihm sein sp?terer Assistent auf einem Trainerlehrgang so einfach und plausibel wie nie jemand zuvor die Viererkette erkl?rt habe. Au?erdem verweist man gerne auch noch darauf, dass L?w einst als Trainer-Novize verantwortlich an der Seitenlinie stand, als Elber, Bobic und Balakow beim VfB Stuttgart als "Magisches Dreieck" Fu?ball-Kunst zelebrierten.

Wer mehr ?ber den Vater des gegenw?rtigen Fu?ball-Hypes in Deutschland wissen m?chte, dem sei dringend empfohlen, das vorliegende Buch des renommierten Fu?ball-Journalisten Christoph Bausenwein zu lesen. Der Autor hat in der Vergangenheit schon mehrfach seine hohe Kompetenz zum Thema Fu?ball unter Beweis gestellt, unter anderem mit seiner Uli-Hoene?-Biografie, die ?hnlich wie "Joachim L?w und sein Traum vom perfekten Spiel" Einblicke hinter die Kulissen liefert, die f?r gew?hnlich von den massenkompatiblen Medien ignoriert werden. Dort beschr?nkt man sich n?mlich gerne darauf, zwei bis drei Storys, Ger?chte oder ?hnliches zu platzieren, die verkaufsf?rderndes Potential besitzen. Daher sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass diejenigen, die vor allem an der Frage interessiert sind, ob Joachim L?w homo- oder heterosexuell sei, im vorliegenden Buch keine weitere Nahrung vorfinden werden.

Bausenwein begeleitet den Leser zur?ck bis in L?ws Spielerkarriere und dort vor allem in die pr?genden Schweizer Jahre, wo L?w im Stillen und Verborgenen ? unter anderem als Spielertrainer in der dritten Liga ?  die Grundlagen f?r seine akribische Arbeit und sein Verst?ndnis vom modernen Fu?ball legen durfte. Der Leser erf?hrt, dass L?w in der Schweizer Trainerschule von Magglingen seine Ausbildung unter einem gewissen Urs Siegenthaler aufnahm, der heute als Chef-Scout der Nationalmannschaft nach einer langen Zeit des Argwohns als Fachmann etabliert und akzeptiert ist. Informationen wie diese findet der Fu?ball-Interessierte zuhauf auf den 368 Seiten der ersten L?w-Biografie.

Das vorliegende Buch zeigt an L?ws Werdegang, wie nah Gipfel und Abgrund beisammen liegen. L?w war vor dem Karriereschub durch die Berufung als Klinsmanns Assistent im Jahre 2004 eigentlich schon weg vom Fenster, was eine erfolgreiche Trainerkarriere betraf. Abgesehen vom Stuttgarter Zauberfu?ball und einem Titel mit dem FC Tirol in ?sterreich hatte L?w einige herbe Nackenschl?ge zu verkraften. Nach einem miserablen Zweitliga-Engagement beim Karlsruher SC, zwei menschlich zwar sehr pr?genden, sportlich aber dennoch alles andere als erfolgreichen Anstellungen in der T?rkei und einem unvollendeten Intermezzo bei Austria Wien war f?r L?w eine Trainerkarriere mit h?heren Weihen eigentlich schon pass?. Letztlich mussten ein paar Zuf?lle sowie die unbedingte ?berzeugung f?r sein Tun herhalten, dass L?w heute weltweit als einer der gr??ten seiner Zunft genannt wird.

Vom Aufbau her hat Bausenwein sein Werk in drei Teile gegliedert, wobei er im ersten Part L?ws Spielerkarriere und seine Trainerlaufbahn bis einschlie?lich der WM 2006 aufarbeitet. Der zweite Abschnitt besch?ftigt sich dann mit L?ws mittlerweile bereits f?nfeinhalb Jahre andauernden ?gide als Bundestrainer, bevor Bausenwein im dritten Teil hinter die Kulissen der Methode L?w schaut und dessen Philosophie zu erkl?ren versucht. Dabei kommen nat?rlich auch die personellen Konfliktthemen aus der ?ra L?w zur Sprache. Am Umgang mit den altgedienten Nationalspielern Frings und Ballack sowie mit Querulanten wie Kevin Kuranyi macht Bausenwein deutlich, wie konsequent L?w seine eigenen Vorgaben lebt und umsetzt. Das Vorurteil vom netten Herrn L?w ist schnell ad acta gelegt.

Die vorliegende Biografie des zehnten DFB-Bundestrainers ist ohne Einschr?nkungen ein Muss f?r jeden Fu?ball-Fan, der mehr ?ber Joachim L?w und das gegenw?rtige deutsche Fu?ball-Wunder wissen will, als ihm ?ber die g?ngigen Medien zugespielt wird. Christoph Bausenwein ist wieder einmal ein Meisterwerk gelungen, das gegenw?rtig unter den Fu?ball-B?chern in Deutschland konkurrenzlos ist. Man mag ihm, Joachim L?w, der Fu?ball-Nationalmannschaft und Fu?ball-Deutschland w?nschen, dass er in den kommenden Jahren noch ein oder zwei weitere Kapitel in aktualisierten Auflagen seinem Werk hinzuf?gen muss, dann n?mlich, wenn Deutschland bei den kommenden beiden Gro?veranstaltung, der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine sowie der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, der Arbeit Joachim L?ws die mehr als verdiente Kr?nung verleihen sollte.

Christoph Mahnel
02.01.2012

 
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Das Buch:

Christoph Bausenwein: Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel

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Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2011
368 S., € 24,90
ISBN: 978-3-89533-813-7

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