Biographie

Schriftsteller in der Sackgasse

Noch lebt Harper (Nelle) Lee. Schon ist Truman Capote ein Vierteljahrhundert tot. Das klingt befremdlich, so lapidar formuliert. Der Auf- und Abstieg von Lee und Capote in der amerikanischen Literatur ist so legendär wie historisch. Sich an "Wer die Nachtigall stört ..." (1961) und an "Kaltblütig" (1966) zu erinnern, heißt, sich an ein gewesenes, fernes Amerika zu erinnern. So fern ist das Ferne nicht. So gewesen ist das Gewesene nicht. Wirkungsvoll bestätigte dies Bennett Millers "Capote"-Film, der die beiden Protagonisten so recht ins Licht-Spiel-Licht rückte.

Capote und Lee sind einander lebenslang verbunden und verpflichtet gewesen. Wohlwollend wird ihnen eine Freundschaft nachgesagt. Auch von Alexandra Lavizzari. Die Geschichte der Freundschaft hat sie unter dem wahrlich banalen Titel "Glanz und Schatten" veröffentlicht. So banal wie der Titel ist das Buch nicht. Mit Klarheit und Knappheit weiß die Verfasserin zu interessieren, ohne mit neuen Erkenntnissen zu erschüttern oder gewagten Spekulationen zu unterhalten. Die Autorin schätzt die Sachlichkeit und dementsprechend schreibt sie. Das ist so wenig selbstverständlich wie leicht, da die Betrachtung der beiden extremen Individuen alles andere als leicht und selbstverständlich ist.

Waren Capote und Lee überhaupt für eine solide und dauerhafte Freundschaft geeignet? Lavizzari hütet sich, die Freundschaft an sich in Zweifel zu ziehen. Sie lässt sie gelten und listet auf, was die Freundschaft zur Geltung brachte. Die Beziehung zwischen Truman und Nelle (Harper) begann in ihren Kindertagen. Als Nachbarn, die sie waren, verachteten sie die sie umgebende Wirklichkeit und erträumten sich die Wirklichkeit einer gloriosen literarischen Zukunft. Jeder versucht in seinem Streben sich gerecht zu werden und jeder muss für sich erleben, wie man in dem Streben siegen und scheitern kann. In der Freundschaft ebenso wie in der Wirklichkeit. Was nicht bedeutet, ohne Leistung und Wirkung und die wirkungsvolle Leistung geblieben zu sein. Was nicht bedeutete, ungebrochen leisten zu können, was erwartet wurde.

Was Capote und Lee zusammenschweißte, um schließlich Capotes "Kaltblütig" möglich zu machen, addiert die Autorin sorgfältig und hebt so Lees tatsächliches Zutun hervor. Inwieweit Capote tatsächlich mehr Anteil an Lees "Wer die Nachtigall stört ..." hat, wagt Lavizzari nicht dezidiert zu sagen. Unnötigerweise kolportiert sie einige unbewiesene Gerüchte und widerspricht so ihrer sonst praktizierten korrekten Darstellung. Gewiss ist, dass ohne die Beziehung der beiden das Entstehen von "Kaltblütig" fraglich gewesen wäre. Eindeutig ist die Autorenschaft des Truman Capote für die Form des Dokumentarromans. Die hat Harper Lee nie für sich in Anspruch genommen. Gewiss ist auch, dass der Roman "Kaltblütig" Capote und Lee literarisch kaltstellte. Ihre Schriftstellerkarrieren gerieten in die Sackgasse und endeten dort. Ob das auch damit zu tun hatte, dass die "außerordentliche Stärke ihrer gegenseitigen Bindung", wie die Autorin schreibt, gar nicht so außerordentlich stark war, um die Freundschaft nicht zu beschädigen, um die Freundschaft ständig zu stabilisieren?

Lavizzari ist nicht die Psychologin, die permanent psychologisiert, um die beiden komplizierten individualistischen Naturen zu analysieren. Vorwiegend äußert die Verfasserin längst Veräußertes, das sie in eine Linie bringt, die den Lesern als eine plausible Lebenslinie der beiden erscheint. Offensichtlich von der "geschliffenen, gescheiten" Sprache des Truman Capote beeindruckt, eifert die Autorin dieser geschliffenen, gescheiten Sprache nach. So weit, so gut sie kann. Immer schleifend. Immer im Stil einer Hochschulprofessorin, die sich nicht dem Verdacht akademischer Eitelkeit aussetzen will. Ohne Salingers "Fänger im Roggen" zu erwähnen, ohne Analogien herzustellen, hadert Lavizzari doch mit dem Schweigen der Autorin von "Wer die Nachtigall stört ...". War Harper Lee die menschlich Konsequentere, Klügere des ungleichen Gespanns? Warum das nicht so sehen? Warum nicht sagen, dass Konsequenz und Klugheit das Leben bedroht? Also auch Freundschaft!

Bernd Heimberger
21.09.2009

 
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Das Buch:

Alexandra Lavizzari: Glanz und Schatten. Truman Capote und Harper Lee – eine Freundschaft

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Berlin: edition ebersbach 2009
178 S., € 16,80
ISBN: 978-3-938740-90-3

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