Biographie

"Roter Baron" oder "Roter Teufel"?

Manfred von Richthofen (1892-1918) war wohl einer der herausragendsten Persönlichkeiten im 1. Weltkrieg. Da ist es nicht verwunderlich, dass sein Leben und Wirken als Jagdflieger im 1.Weltkrieg ihm zu internationaler Berühmtheit verhalfen. Bisherige Biografien basieren weitestgehend auf der Autobiografie von Richthofen "Der Rote Kampfflieger", die als Propagandawerkzeug "in Auftrag gegeben wurde".

Die akribisch recherchierte und durch zahlreiche Quellennachweise belegte Biografie von Dr. Dr. Joachim Castan bildet einen Gegenpol zur bisherigen Darstellung Richthofens. Geschildert wird Richthofens Kindheit mit zahlreichen Einzelheiten, sein Werdegang, und es werden viele Verbindungen zu seiner Erziehung und den damit vermittelten Werten geknüpft.

Manfred von Richthofen, ein ganz normaler Mensch?

Richthofens Vater Albrecht, ein schwerhöriger erfolgsloser Kavallerieoffizier und Mutter Kunigunde (geb. Schickfus und Neudorff), eine sich nach Ansehen und Ruhm sehnende Mutter von drei Kindern, soll diese Kombination und der damit verbundene Druck der Grund für Manfreds Leistungswillen sein? Im Zentrum von Manfreds Erziehung steht die Jagd mit seinem Vater Albrecht. In der Hoffnung den ältesten Sohn in eine militärische Laufbahn zu lenken, wird Manfred in die Kadettenanstalt Wahlstatt geschickt, was die intellektuelle Förderung von jungen Männern nicht nur nach heutigen Maßstäben dramatisch unterschreitet.

Manfreds Interesse galt schon damals in erster Linie dem Jagen und Reiten. Die Kadettenanstalt Wahlstatt verlässt er als Kavallerieoffizier. Nachdem Richthofen auf einer Zugfahrt Oswald Boelcke kennen gelernt hat, meldet er sich als Beobachter bei der Brieftauben-Abteilung-Ostende. Mit Entwicklung des synchronisierten Maschinengewehrs, mit der die Piloten selbst durch den laufenden Propeller schießen konnten, ließ sich Richthofen zum Flugzeugführer ausbilden. Castan begründet Richthofens Vorgehen mit dem Kampf um die Liebe seiner Eltern, seinem anerzogenen Jagdtrieb und der Furcht vor Gesichtsverlust vor seinen Kameraden.

Richthofen schreckt zu Beginn seiner Fliegerkarriere auch nicht davor zurück, auf ganze Züge feindlicher Soldaten zu schießen zur Demonstration seiner Überlegenheit. Also von Ritterlichkeit keine Spur. Castan entmystifiziert Richthofen beinahe komplett. Jenseits dieses Mythos, der diesen "strahlenden Helden" umgibt, findet sich ein junger Mann, der besessen von eigenen Höchstleistungen ist und auch zahllose Beweise anhäuft, um scheinbar seinen Eltern zu beweisen, dass er ihrer Liebe würdig ist. Nach seinem Abschuss ist von einem Sinneswandel zum Pazifisten nichts zu merken. Eher überwiegt die Verbitterung und die Besessenheit, möglichst viele Gegner brennend abzuschießen, da diese Todesart für damalige Piloten als die qualvollste gilt. Diesen Sinneswandel begründet Castan darauf, dass es sich hierbei um psychologischen Selbstschutz von Menschen mit übermäßiger geistiger und körperlicher Belastung handelt.

Die Tatsache, dass ihm die Liebe seiner Eltern bis an sein Lebensende verwehrt bleibt, stachelt Richthofen zu immer mehr Höchstleistungen an. Eine private Liebesbeziehung findet aus diesem Grund in seinem Leben keinen Platz. Der Ruhm und das Aufsehen um seine Person ist ihm mehr und mehr lästig geworden, nicht zuletzt, weil er zunehmend als überaus wirkungsvolles Propagandainstrument benutzt wird.

Die Biografie liest sich sehr flüssig, es gibt kaum Exkurse in themenfremde Bereiche. Castan beschreibt im Laufe der Biografie die Entwicklung und Einflüsse eines jungen Mannes, der es zunächst nicht erwarten kann in den Krieg zu ziehen, bis zu dessen Entmenschlichung und schließlich zu seinem Tod. Genauer betrachtet sind es mehrere Tode, da Richthofen wiederholt umgebettet wurde und die Geschichte über seinen Tod in zahlreichen verschiedenen Versionen existiert. Auch hier wird nicht spekuliert, sondern es werden die Fakten dargelegt. Eine Schlussfolgerung des Autors darf natürlich auch hier nicht fehlen, ist aber klar und nachvollziehbar dargestellt.

Castan geizt nicht mit Erläuterungen zu diversen Gegebenheiten der damaligen Zeit, seien diese nun technischer, politischer oder gesellschaftlicher Natur. Gegen Ende des Buches ist der Leser in der Lage, sich ein Bild der damaligen Zeit und des damaligen Denkens zu machen und begreift zumindest im Ansatz, was in diesem Menschen vorgegangen sein muss und wie sich sein Andenken international bis heute fortsetzt.

Adam Vass
14.04.2008

 
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Das Buch:

Joachim Castan: Der Rote Baron

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Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2007
360 S., € 24,50
ISBN: 978-3-608-94461-7

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